Es war das Urteil eines Schiedsgerichts, das schlussendlich Bewegung in eine starre Angelegenheit brachte. Der österreichischen OMV wurden vom Gericht 230 Millionen Euro zugesprochen, weil der russische Vertragspartner Gazprom unregelmäßig lieferte. Weil die OMV daraufhin ankündigte, Zahlungen an Gazprom einzustellen, konterten die Russen am Freitag mit einem sofort wirksamen Lieferstopp an den jahrzehntelangen österreichischen Partner.
In Österreich fiel die Reaktion ambivalent aus. Registrierte man anfänglich noch Unsicherheit, mehrten sich im Verlauf der letzten Stunde jene Stimmen, die zu kalmieren wissen. Auch der Kanzler rückte aus und beruhigte. Ein Gasnotstand sei nicht in Sicht, Österreichs Speicher zurzeit prall gefüllt. Die OMV wiederum betont, sich ohnehin lange auf dieses Szenario vorbereitet zu haben. Genau deswegen hätte man in den letzten Jahren die Zulieferströme diversifiziert.
Gazprom leitet weiter gen Westen
Was am Samstag aber auch schnell klar wurde: Ein Ende der russisch-österreichischen Energiebeziehung ist der nunmehrige Stopp nicht. Im Gegenteil, fließt doch vorerst weiter viel russisches Gas nach Österreich und über den wichtigen Gasknotenpunkt Baumgarten. Experten hatten genau das prognostiziert. Einerseits gibt es ja weiterhin kein europäisches Importverbot für russisches Gas und andererseits kündigte die Ukraine, ein wichtiges Gas-Transitland, bereits am Freitag an, dass Gazprom für Samstag die Durchleitung genau jener Gasmengen Richtung Westen angekündigt hatte wie am Tag zuvor.
Was aber passiert mit dem Gazprom-Gas, das in Baumgarten ankommt? Christoph Dolna-Gruber von der österreichischen Energieagentur sieht via X zwei potenzielle Abnahmestränge. Einerseits hätten Länder wie Slowenien und Ungarn weiterhin langfristige Verträge mit Russland und beziehen ihr russisches Gas über Österreich. Andererseits würden „andere Unternehmen innerhalb oder außerhalb Österreichs“ russisches Gas auch kurzfristig, ad hoc, über die Börsen kaufen. Dolna-Gruber: „Teilweise können das auch Mengen sein, die eigentlich für die OMV gedacht waren.“
Tatsächlich veränderte sich die Gas-Verteilung schlussendlich nur geringfügig. Nach Österreich kam etwas weniger, von 17 Prozent war am Samstag die Rede, dafür blieb mehr Gas in der Slowakei. „Eventuell hat die slowakische SPP einen Teil der OMV-Mengen übernommen“, schreibt dazu etwa der Energiemarktspezialist und E-Control-Mitarbeiter Leo Lehr.
Börsenpreise bleiben stabil
Wie sich das alles auf die internationalen Gaspreise auswirkte? Nun, auf der Börse kam es Freitag-Nachmittag zunächst zu einem kurzen Preisaufschwung, der sich aber schnell wieder abflachte. Am Samstag blieben die wichtigsten Werte stabil, die Tendenz zeigte sogar leicht nach unten.
Österreichs Konsumentinnen und Konsumenten müssten zumindest in dieser Heizsaison ebenfalls kaum mit spürbaren Preissteigerungen rechnen, betonte die Regulierungsbehörde E-Control am Samstag abermals. „Eine solche Situation ist an den Märkten bereits erwartet worden. Außerdem haben die Lieferanten ihre Preise für diesen Winter weitgehend abgesichert“, ließ etwa E-Control-Ökonom Johannes Mayer wissen. Auch für Kunden mit variablen Verträgen dürften die Folgen des Lieferstopps gering bleiben, Mayer spricht von maximalen Änderungen zwischen einem und zwei Euro pro Monat.
Gasspeicherumlage rückt in den Fokus
Umso mehr Augenmerk richtet die Branche jetzt nach Deutschland. Dort soll die Gasspeicherumlage ja eigentlich mit Jahresende abgeschafft werden. Geschieht das im Zuge der auseinanderbrechenden Ampel-Regierung nicht, wird Gas in Österreich „unnötig verteuert“, wie auch Energieministerin Leonore Gewessler am Samstag anmerkte.
Längerfristig, also über den Winter 2024/2025 hinaus, ist die Entwicklung des Preisniveaus aktuell ohnehin schwer abschätzbar, wie die meisten Spezialistinnen und Spezialisten unisono bemerken.