Die Europäische Kommission sagt für die EU ein „bescheidendes Wirtschaftswachstum“ voraus: Laut ihrer am Freitag in Brüssel präsentierten Herbst-Konjunkturprognose soll die Wirtschaft heuer um der EU um 0,9 Prozent und in der Eurozone um 0,8 Prozent wachsen. Die heimische Wirtschaft wird laut Prognose heuer um 0,6 Prozent schrumpfen, bevor sie 2025 mit 1,0 Prozent auf einen schmalen Wachstumspfad zurückkehrt. Das schwache Wachstum wird von einer sinkenden Inflation begleitet.
Europa sei damit weiterhin geschwächt, analysiert Ökonom Hanno Lorenz (Agenda Austria), während die USA die Trendwende geschafft hätten: „In der EU geht vieles in die falsche Richtung. Wir schaffen es nicht, relevantes Wachstum zu generieren.“ Und ohne Wachstum könne allein der Sozialstaat nicht finanziert werden. Es brauche ein „starkes Gegensteuern“.
„So werden wir scheitern“
Beispiel Entbürokratisierung: Allein in der EU kämen jedes Jahr „2000 neue Rechtsakte an Bürokratie“ sowie neue Berichtspflichten hinzu: „Mit dem Versuch, die Welt über Gesetze zu verbessern, werden wir scheitern, vor allem dann, wenn wir nicht das nötige Wachstum haben.“ Ähnlich wie Elon Musk in den USA brauche es auch in der EU eine Persönlichkeit, die sich für Deregulierung einsetzt. Lorenz: „Jemand, der das durchzieht und sich nicht vom Apparat kleinreden lässt.“ Er habe „noch keine Regierung gesehen, die Bürokratie abbaut.“ Vor allem das „überregulierte“ Deutschland sei ein „extrem bremsender Faktor“ in der EU, sagt Lorenz. „Ob der Druck, etwas zu ändern, ausreicht, wird sich vor allem an Deutschland zeigen.“
1,3 Prozent Wachstum in Eurozone
Kommendes Jahr soll das Wachstum laut Kommission in der EU 1,5 und in der Eurozone 1,3 Prozent erreichen, 2026 dann 1,8 respektive 1,6 Prozent. In ihrer Frühlingsprognose hatte die Kommission noch etwas bessere Zahlen für die EU und Österreich erwartet: Für heuer wurde ein Plus der EU-Wirtschaftsleistung um 1,0 Prozent erwartet, für 2025 um 1,6 Prozent. Für die Eurozone wurde mit 0,8 respektive 1,4 Prozent gerechnet. Für Österreich wurde im Mai für 2024 noch ein kleines Plus von 0,3 Prozent vorhergesagt, 2025 ein Zuwachs von 1,6 Prozent. Wifo und IHS gehen ebenfalls davon aus, dass die heimische Wirtschaft heuer schrumpfen wird.
Die schwächelnde Konjunktur wird von weiter sinkenden Inflationszahlen begleitet: Die Gesamtinflation im Euroraum soll sich im Jahr 2024 auf 2,4 Prozent quasi halbieren, von 5,4 Prozent 2023. 2025 soll sie weiter auf 2,1 Prozent sinken, 2026 auf 1,9 Prozent. Damit wäre auch das Ziel der Europäischen Zentralbank, die Inflationsrate unter 2 Prozent zu halten, wieder erreicht. In der EU wird die Gesamtinflation von 6,4 Prozent im Jahr 2023 auf 2,6 Prozent sinken, und die Jahre darauf um 2,4 bzw. 2,0 Prozent. In Österreich dürften die Preise heuer um 2,9 Prozent steigen, danach um 2,1 bzw. 1,7 Prozent.
Die EU-Kommission betont in ihrer Aussendung, dass „Ungewissheit und Abwärtsrisiken für die Aussichten zugenommen haben“. Russlands langwieriger Angriffskrieg gegen die Ukraine und der verschärfte Konflikt im Nahen Osten würden die geopolitischen Risiken und die Gefahren für die Energiesicherheit verstärken. „Eine weitere Zunahme der protektionistischen Maßnahmen der Handelspartner könnte den globalen Handel beeinträchtigen und die sehr offene Wirtschaft der EU belasten“, geht die Brüsseler Behörde nur indirekt auf die vom designierten US-Präsidenten Donald Trump angekündigten Strafzölle auf viele europäische Produkte ein.