Nachrichten von Betrieben in wirtschaftlicher Schieflage stehen derzeit an der Tagesordnung. Tausende Jobs hängen in der Industrie am seidenen Faden. Zuletzt war es der Zweiradhersteller KTM, der mit der Planung von bis zu 300 Kündigungen und einem Finanzbedarf in der Höhe einer dreistelligen Millionensumme in die Öffentlichkeit ging. Die Industrie trägt allerdings rund ein Viertel zur österreichischen Wirtschaftsleistung bei – wenn es der Industrie schlecht geht, hat das also weitreichende Auswirkungen.
Georg Knill, Präsident der Industriellenvereinigung beschrieb die aktuelle Situation gestern als Studiogast in der ZIB2 als „prekär“, man könne auch sagen, „es ist Feuer am Dach“. Mit dem dritten Jahr in Folge, in dem der produzierende Sektor in Österreich in einer Rezession steckt, befände man sich in der seit 1945 längsten Krise. „Und auch die Aussichten ins nächste Jahr sind nicht positiv rosig.“ Man sei in einem strukturellen Dilemma, das jetzt aufzubrechen sei.
Hohe Lohnstückkosten
Knill zur Frage, warum prognostizierte Produktivitätssteigerungen nicht eingetreten sind: „Allein in den letzten drei Jahren sind die Lohnstückkosten in Österreich über 30 Prozent gestiegen. Bei unserem wichtigsten Handelspartner Deutschland sind sie nur um 17 Prozent gestiegen, in Italien gar nur um 7 und in der Schweiz nur um 6 Prozent. Verglichen mit unseren direkten Handelspartnern in Westeuropa haben wir uns so massiv aus der Wettbewerbsfähigkeit hinauskatapultiert, das konnten wir in dieser kurzen Zeit mit Produktivitätsmaßnahmen nie und nimmer kompensieren. Das schafft keine Volkswirtschaft, das schafft das beste Unternehmen nicht. Die Lohnentwicklungen der letzten Jahre haben uns massiv an Wettbewerbsfähigkeit gekostet.“
Produkte gefragt, aber...
Sind die Produkte, die derzeit in Österreich hergestellt werden, am Weltmarkt nicht nachgefragt? Knills Antwort: „Wir haben ein Preis-Leistungsproblem auf dem Weltmarkt. Nicht unser Produkt ist nicht nachgefragt, es liegt ausschließlich an der Preiskomponente. Wir sind im Bereich der Arbeitskosten, aber auch bei den Energiekosten und Bürokratiekosten derart unattraktiv geworden am Standort Österreich, dass das Preis-Leistungsverhältnis einfach nicht mehr stimmt. Wir sind tagtäglich in Konkurrenz mit Mitbewerbern, die diese Preissteigerungen nicht hatten.
Gerade erst wurde über einen eklatanten Fachkräftemangel gesprochen und jetzt reduzieren viele Firmen das Personal. Wurde hier auf Entwicklungen, die möglicherweise absehbar waren, zu spät reagiert? Knill sagt zu dem Thema: „Wir haben schon vor vielen Monaten davor gewarnt, dass in Österreich eine Deindustrialisierung bevorsteht, Investitionen nicht mehr in Österreich sondern anderswo getätigt werden, dass Mitarbeiter abgebaut werden, Arbeitslosigkeit steigt, und dass auch der Wohlstand in diesem Land sinkt. Diese Warnungen haben wir ausgesprochen, weil der Standort Probleme hat.“
Forderungen an die Politik
Ob der Industrieanteil nun, gemessen an der Wirtschaftsleistung, sinken wird? „Wir müssen alles daran setzen, dass Industrie weiterhin in Österreich möglich ist, weil es ein maßgeblicher Treiber für den Wohlstand in diesem Land ist. Die Industrie trägt zu 25 Prozent der Wertschöpfung und zu 25 Prozent der Beschäftigten in diesem Land bei.“
Der Aufruf des IV-Präsidenten an die mögliche Dreierkoalition: „Standortrelevante Maßnahmen setzen, die es uns wieder ermöglichen, wettbewerbsfähig im Export zu sein, Möglichkeiten schaffen, um im Inland wieder zu investieren. Konkret gesagt: Wir brauchen eine Lohnnebenkostensenkung, wie wir sie schon lange fordern, um die hohen Arbeitskosten zu kompensieren. Wir brauchen eine massive Entrümpelung im Bereich der Bürokratie: Wir schätzen, dass die Wirtschaft Kosten über 15 Milliarden Euro stemmen muss wegen überbordender Regeln und Berichtspflichten. Und als dritter Anreiz, das würde budgetär gar nicht viel kosten: Investitionen, um diesen Standort wieder zu unterstützen: etwa durch vorzeitige Abschreibungen.“