Der Euro ist zum US-Dollar mit knapp unter 1,05 Dollar auf den tiefsten Stand seit einem Jahr gefallen, was an den Börsen Spekulationen auf eine weitere Talfahrt Richtung Parität aufkommen lässt. Zuletzt war die europäische Gemeinschaftswährung vor rund zwei Jahren unter die psychologisch wichtige Ein-Dollar-Marke gerutscht. Als einer der Auslöser für die jüngste Euro-Schwäche gelten die geplanten Zölle des designierten US-Präsidenten Donald Trump.

Könnte Euro auf Ein-Dollar-Marke fallen?

Experten halten das für möglich. In seiner Geschichte hatte der Euro bereits im Dezember 1999, also im Jahr seiner Einführung, erstmals diese Marke unterschritten und wurde in den darauffolgenden frühen 2000-er Jahren immer wieder darunter gehandelt. Zuletzt war der Euro im November 2022 auf diesem Niveau gewesen. Hintergrund war die zunehmende Kluft in der Leitzinsentwicklung der USA und der Eurozone. Da Europa noch stärker unter den steigenden Energiepreisen infolge des Ukraine-Kriegs litt, ging es mit den Zinsen damals weniger schnell nach oben als in den USA. Bis zum September 2023 stieg der EZB-Zinssatz für Einlagen bis auf 4,5 Prozent, während die US-Notenbank Fed in rekordverdächtigem Tempo auf eine Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent hochschraubte.

Zwar ist die Parität zum aktuellen Kurs des Währungspaares noch rund fünf Prozent entfernt. Der Dollar scheint durch den klaren Wahlsieg Trumps allerdings auf längere Sicht im Vorteil. Die Erwartung eines stärkeren Wirtschaftswachstums, höherer Inflation und eines schrumpfenden Zinssenkungspotenzials dürften den Dollar beflügeln, während ein Handelsstreit das hiesige Wachstum belasten würde. Das spricht für mehr Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB). „Die Schere zwischen den USA und der Eurozone geht somit weiter auf“, sagt Sonja Marten, Leiterin Research, Devisen und Geldpolitik bei der DZ Bank. Je nach Umfang der von Trump verhängten Zölle sehen wichtige Marktbeobachter wie Deutsche Bank und JPMorgan die Parität kommen.

Was bedeutet das für Unternehmen und Haushalte?

Eine schwache Währung erhöht in der Regel die Kosten für Importe. Dies kann zu steigenden Preisen für Lebensmittel, Energie und Rohstoffe führen und die Inflation verschärfen. Diese ist nach dem Teuerungsschock vor zwei Jahren jedoch deutlich zurückgegangen. Die meisten Ökonomen gehen davon aus, dass die Inflation nach einigen Schwankungen Ende 2024 im kommenden Jahr wieder ihr Ziel von zwei Prozent erreichen wird.

Umgekehrt führt ein Rückgang des Euro zu billigeren Exporten – eine gute Nachricht etwa für Europas Autobauer, Industrieunternehmen und den Luxushandel sowie für Privatpersonen und Anleger mit Einkommen im Ausland. Besonders positiv ist dies für Deutschland. Die deutsche Wirtschaft, die lange als Exportmotor Europas galt, spürt eine Reihe von Gegenwinden, darunter die schwache chinesische Wirtschaft.

Ist das übertrieben?

Nicht alle Experten sind langfristig pessimistisch gegenüber dem Euro eingestellt. Viele Banken halten die Parität für möglich, aber nicht unbedingt für wahrscheinlich. Denn die zu erwartenden Zinssenkungen könnten auch die Wachstumsaussichten für die Euro-Wirtschaft verbessern und somit die Währung längerfristig stützen. „Alle blicken pessimistisch auf Europa und wir verstehen diese Stimmung, aber es könnte auch einige positive Überraschungen geben“, sagt Benjamin Melman, Investmentexperte von Edmond de Rothschild.

So birgt das Aus der Ampel-Regierung in Deutschland nach Meinung von Marktteilnehmern auch Potenzial für dringend benötigte Reformen und wachstumsfördernde Ausgaben im nächsten Jahr, die der Volkswirtschaft wieder auf die Beine helfen könnten.

Bedeutung für die EZB

EZB-Chefin Christine Lagarde steckt in einer weniger kniffligen Situation als noch vor zwei Jahren, als die Inflation außer Kontrolle zu geraten schien. Das erhöhte den Druck, die Zinsen anzuheben. Aktuell ist die Teuerung aber rückläufig. Ökonomen weisen außerdem darauf hin, dass die Auswirkungen von Währungsschwankungen auf die Inflation relativ gering sind, so dass die Schwäche des Euro die Zinssenkungen vorerst nicht aufhalten sollte.