Das Platzen der Ampelkoalition und die nahenden Neuwahlen in Deutschland hätten auch etwas Gutes, sagt Klemens Haselsteiner: Er sei froh, dass es „keine Hängepartie“ in der Koalition mehr gebe, erklärt der CEO der Strabag am Rande des „Strabag Innovation Days“ in Köln. Wichtig für die deutsche Wirtschaft sei die Einigung auf den Bundeshaushalt für 2025, so Haselsteiner. Auch um die Finanzierung großer Bau- und Infrastrukturprojekte zu sichern.

Auch der Veränderungsbedarf am Bau selbst ist enorm: Der Bausektor ist aktuell für 38 Prozent aller Klimagas-Emissionen weltweit verantwortlich. Der von Wien und Spittal an der Drau aus gelenkte Strabag-Konzern mit 86.000 Mitarbeitern setzt sich das Ziel, 2040, also in 16 Jahren, klimaneutral zu sein. Um diesem möglichst nahe zu kommen, baut man auf eine Reihe von Innovationen.

Strabag-Innovationschefs Marco Xaver Bornschlegl und Jens Hoffmann
Strabag-Innovationschefs Marco Xaver Bornschlegl und Jens Hoffmann © US

Mehr als 250 Innovationsprojekte gebe es derzeit im global agierenden Konzern, 50 wurden diese Woche in der internen Vernetzungs-Messe in Köln vorgestellt. „Die Zukunft ist ungewiss, aber das heißt auch, wir können sie gestalten, formen“, sagt Haselsteiner. Einige Innovationen stechen hervor: Ein Ansatz zur Dekarbonisierung ist die Nutzung nachwachsender Rohstoffe. Den Fokus legt die Strabag dabei auf Schilf, Hanf, Stroh, Mais und Zuckerrüben. Mit dem Kauf des niederösterreichischen Hanfdämmstoff-Produzenten Naporo wird eine nachhaltige Alternative etwa zu Styropor forciert.

Dämmplatte aus Hanf als Alternative zu Styropor
Dämmplatte aus Hanf als Alternative zu Styropor © US

Viel versprechen sich Haselsteiner und die zwei Innovationschefs Marco Xaver Bornschlegl und Jens Hoffmann vom Ersatz fossiler Treibstoffe in schweren Baumaschinen durch Wasserstoff bzw. Brennstoffzellen. In einem Steinbruch in Gratkorn ist ein Radlader in Betrieb, ein Projekt mit Maschinenbauer Liebherr und Energie Steiermark. Zum Einsatz kommt grüner Wasserstoff in einem modifizierten Verbrennungsmotor.

KI-Baukästen für den Wohnungsbau

Serielles Bauen soll die Baukosten senken: Die Kombination eines Holz-Hybrid-Bausystems namens „Moleno“ und KI-basierter Entwürfe („Generative Design“) sei eine Möglichkeit, mit geringeren Baukosten und mehr Tempo die Wohnbaukrise zu überwinden (und ist wohl eine Gefahr für manche Architekten). Ergebnis seien standardisierte, aber individualisierbare „Baukästen“ für den Wohnungsbau. Demonstriert wurden in Köln auch Beispiele für die Automatisierung am Bau: Der laut Strabag weltweit einzigartige 3D-Betondrucker „Karlos“ druckt tragende Wände ohne Schalungsarbeiten.

„Beweislastumkehr bei Genehmigungen“

Innovationen allein werden wohl zu wenig sein, damit die Bauwirtschaft dereinst vom CO2-Saulus zum Klima-Paulus wird. Haselsteiner wünscht sich für Österreich und Deutschland einen 10-Jahres-Plan auf Basis eines politischen Grundkonsenses zur strategischen Ausrichtung der Länder. „Das Sprunghafte und Populistische ist Gift für die Wirtschaft“, warnt er. Einheitliche Regelungen für die Bauwirtschaft über Landesgrenzen wären dringend nötig, überbordender Föderalismus mit eigenen Baugesetzen in jedem Bundesland schade massiv. Im Rahmen einer „Beweislastumkehr“ sollte künftig die Behörde nachweisen müssen, warum etwas nicht gehe. Einen kraftvollen Hebel für Nachhaltigkeit am Bau habe der Staat als Marktmacht bei öffentlicher Beschaffung. Beispielsweise, indem im Straßenbau höhere Anteile von recyceltem Asphalt vorgeschrieben werden. Bis zu 99 Prozent wiederverwerteter Asphalt statt teils nur 20 wären möglich.

In Nordamerika ist die Strabag nur in Kanada, nicht aber in den USA vertreten. Der Wahlsieg Trumps zwinge Europa dazu, zusammenzurücken und gemeinsam aufzutreten, meint Haselsteiner. Konkrete Folgen des republikanischen Wahlerfolgs für die stark an lokalen Wertschöpfungsketten ausgerichtete Bauwirtschaft erwartet er indes keine. Es sei aber ein Beleg für den allgemeinen Vormarsch reaktionärer Kräfte. Dass künftig Energiewende und Klimaschutz politisch „ausgebremst“ würden, glaubt Haselsteiner nicht. Man befinde sich mittendrin in einer Veränderung, diese lasse sich nicht mehr aufhalten.