Das Allgemeine ist reizlos, das Besondere ist Trumpf in unserer „Gesellschaft der Singularitäten“ (Andreas Reckwitz). Jetzt sind auch in der fast hundert Jahre alten Molkereigenossenschaft Kärntnermilch solche Tendenzen zu beobachten. Eine Gruppe von 15 bis 20 Genossenschaftsmitgliedern bzw. Milchbauern will über den einheitlichen Milchpreis, den die Molkerei all ihren 980 Milchlieferanten zahlt, eine besondere Vergütung. Es sind allesamt große Vollerwerbsbetriebe, die hunderttausende Euro in moderne Laufställe investiert haben und daher für ihre Milch, die also mit mehr Tierwohl als die der anderen produziert wird, einen Zuschlag reklamieren. Und sie drohen offenbar mit Austritt und gleichzeitigem Übertritt zum Mitbewerber, der Berglandmilch, die in Klagenfurt eine ihrer acht Molkereien betreibt.
Falls der Zirkel Ernst macht, würde die Kärntnermilch ein paar Millionen Liter Milch verlieren. Möglicherweise sogar bis zu zehn Prozent ihrer Anlieferungsmenge von zuletzt 116 Millionen Kilogramm Rohmilch im Jahr.
Tierwohl-Bonus, Anfahr-Bonus
Offiziell äußert sich keiner von den „Rebellen“. Auch Kärntnermilch-Präsident Albert Petschar hat nur Gerede gehört, aber „nichts Schriftliches“. Er kalmiert: „Wir haben vor unseren jährlichen Sprengelversammlungen Mitte November ein Treffen in Spittal vereinbart. Dann reden wir.“ Die Kärntnermilch legt den Gemeinschaftsgedanken der Genossenschaft bisher grundlegend aus: Solidarität für alle, gleicher Preis für alle - mit Ausnahme der Zuschläge für Bio-Betriebe. „Aber die Zeiten ändern sich“, sagt Petschar. Erst im Oktober hat sie sich zu einem Tierwohl-Bonus entschlossen und erwägt, ihn zu erhöhen bzw. größeren Lieferanten einen Anfahrbonus zu geben. „Es müssen aber Bestimmungen sein, die für alle gelten und nicht nur für wenige“, sagt Petschar. Er weiß: „Den einheitlichen Milchpreis gibt es wohl nicht mehr.“
Die Berglandmilch arbeitet seit 2018 mit Bonifikationen. „Wir haben vier verschiedene Bonusstufen für verschiedene Tierhaltungen. Wir wollen Anbindehaltung nicht verbieten, sondern andere Haltungsformen fördern“, sagt Georg Lehner, Mitglied der Geschäftsführung der Berglandmilch, die in Kärnten von St. Veit bis Wolfsberg 700 Lieferanten hat und knapp 100 Millionen Liter Milch verarbeitet. In drei Produktbereichen: Haltbarmilch für den Export (über den Hafen Koper bis in den Fernen Osten); McDonald‘s-Milch für verschiedene Märkte von Italien bis Bulgarien; und Milchprodukte in Pet-Flaschen - etwa den Schärdinger Traum oder den Schärdinger Schlagobers.
Dass sie bei den Auszahlungen differenziert, ist aus Sicht der Berglandmilch keineswegs konträr zum Genossenschaftsprinzip. Lehner: „Es besagt ja schon der Gleichheitssatz in der Verfassung, dass Gleiches gleich, Ungleiches aber ungleich zu behandeln ist“. Zur aktuellen Causa will er nichts sagen.
Zahlt die Berglandmilch generell besser? Petschar verneint: „Wir waren heuer von 0,9 Cent hinter der Berglandmilch, aber auch schon zwei Cent über ihr.“ Aktuell liege der durchschnittliche Netto-Milchpreis bei 50 Cent pro Kilo.