IHS-Direktor Holger Bonin geht davon aus, dass der Republikaner Donald Trump im Fall seines absehbaren Wahlsieges die von ihm angekündigten Steuersenkungen für Unternehmen umsetzen wird. „Es wird auch Deregulierungen geben, die den großen Konzernen und insbesondere auch den Digitalkonzernen helfen könnten“, sagte Bonin am Mittwoch beim „Election Breakfast“ der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft. Gleichzeitig warnte Bonin vor einem drohenden Handelskrieg mit den USA.

Musk wird Einfluss ausüben

„Ich meine, er hat mit Elon Musk einen Player an der Seite, der da sicherlich großen Einfluss ausüben wird und der das auch mit Eigeninteresse natürlich tut“, sagte Bonin. „Wir werden da einen sehr wirtschaftsfreundlichen Kurs sehen, der insbesondere eben den großen Kapitalgesellschaften zugute kommt.“ Ob das auch der amerikanischen Bevölkerung Vorteile bringen werde, sei unklar. Im Bereich der Sozialpolitik oder der Frage des leistbaren Wohnraums würden die Steuersenkungen nicht unmittelbar durchschlagen, so der Wirtschaftsforscher. Auch Veränderungen in der Handelspolitik könnten negativ auf die US-amerikanische Binnenwirtschaft durchschlagen.

„Schuss ins Knie“

Trumps simple Botschaften, die US-Industrie vor ausländischer Konkurrenz und vor illegaler Einwanderung zu schützen, hätten bei den Wählern offenbar verfangen, sagte Bonin. Aber eine Abschottung vor der Migration hätte für den amerikanischen Arbeitsmarkt negative Auswirkungen, glaubt der Ökonom. „Also man schießt sich letztlich selber ins Knie, und trotzdem haben die Bürgerinnen und Bürger dafür gestimmt.“

GPA-Vorsitzende Barbara Teiber zeigt sich skeptisch, ob Trumps Politik den Bürgern helfen wird. Ihr mache Angst, dass Trump „von gewerkschaftsfeindlichen und arbeitnehmerfeindlichen Multimillionären“ wie Elon Musk, Peter Thiel und Jeff Bezos unterstützt worden sei.

Reduktion des Wachstums

Markus Beyrer, Generaldirektor von Business Europe, verwies auf Studien, wonach die von Trump angekündigten Zölle auf europäische und chinesische Produkte einen „chilling Effekt“ auf die europäische, aber auch auf die amerikanische Wirtschaft hätten. Sie würden zu einer Reduktion des Wirtschaftswachstums und der Beschäftigung führen, so Beyrer. „Die amerikanische und die europäische Wirtschaft, also die transatlantische Wirtschaft, das ist die verflochtenste auf der ganzen Welt. Da sind 16 Millionen Jobs, die davon direkt abhängen. Da gibt es berechtigte Interessen auf beiden Seiten, dass das nicht zu sehr durcheinandergeschüttelt wird.“

 IHS-Direktor Holger Bonin
IHS-Direktor Holger Bonin © APA / Eva Manhart

Das macht auch IHS-Chef Bonin Sorgen. Ein Handelskrieg mit den USA wäre schlecht für die Europäer, „aber noch schlechter ist, wenn die multilaterale Handelsordnung zusammenbricht, wenn die WTO zusammenbricht“, warnte er.

Sorgen um Umwelttechnologien

Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, rechnet mit sinkenden Exportmengen in die USA, wenn dort tatsächlich wie angekündigt Importzölle für europäische Produkte eingeführt werden. „Wir sind im dritten Rezessionsjahr der Industrie. Die österreichische Industrie ist eine Exportindustrie, und das hätte naturgemäß negative Auswirkungen, das muss uns allen bewusst sein“, sagte Neumayer. Insbesondere die Autozulieferindustrie stehe unter Druck, und die USA würden schon seit längerem das Ziel verfolgen, dass dort produziert werde. Einige europäische und deutsche Hersteller hätten darauf aber bereits reagiert und Werke in den USA errichtet, daher könnten die Auswirkungen nun weniger stark sein als befürchtet. Sorgen machen sollte man sich aber um die Umwelttechnologien, so Neumayer.

Entwicklung „nicht prognostizierbar“

Der langjährige Wifo-Chef und jetzige Fiskalratspräsident Christoph Badelt hält die mittelfristige Entwicklung für überhaupt nicht prognostizierbar. „Denn Trump will ja jetzt nicht nur einfach Zölle einheben gegenüber den Europäern, sondern Trump will ja überhaupt das Land wirtschaftlich viel stärker autark machen und wird sicher auch einen viel stärkeren Handelskrieg gegen China führen.“ Darauf werde China reagieren und stärker nach Europa gehen. Auch Badelt befürchtet, dass Trumps Handelspolitik zu einem Zusammenbruch der WTO führen könnte, „dann herrscht irgendwann einmal der Wilde Westen“.

Sicherheitspolitische Herausforderungen

Der Sieg des Republikaners Donald Trump bei der US-Präsidentenwahl bringt aus Sicht des Wifo-Chefs Gabriel Felbermayr für Europa vor allem große sicherheitspolitische Herausforderungen mit sich. „Ein Rückzug der USA aus Europa ist eine ganz andere Bedrohung als ein paar Zölle“, sagte der Ökonom im APA-Gespräch. Europa „hätte in den letzten vier Jahren viel mehr tun müssen, jetzt sind wir massiv erpressbar“. Notwendig sei ein drastischer Ausbau der Rüstungsindustrie.

Angesichts des Krieges in der Ukraine hätte ein Rückzug des US-Militärs aus Europa demnach schwerwiegende Folgen für die Sicherheit. „Europa muss massiv in die Rüstung gehen, muss sich absichern gegen ein kriegslüsternes Russland“, sagte der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) am Mittwoch. Dabei gehe es um hohe Investitionen, aber auch um physische Ressourcen, „viel mehr Menschen müssen in die Rüstungsindustrie“. Wichtig ist es laut Felbermayr auch, den europäischen Binnenmarkt für Rüstungsgüter rasch voranzubringen.

WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr
WIFO-Direktor Gabriel Felbermayr © APA / Eva Manhart

„Fiskalische Spielräume finden“

Die Frage sei dabei allerdings, wie man eine solche sicherheitspolitische Herausforderung stemmt, in Zeiten leerer Staatskassen. Hierfür werde man „fiskalische Spielräume finden müssen“, in Deutschland sei hier etwa die Auflockerung der Schuldenbremse ein Thema. Für den Ausbau der Rüstungsindustrie müssten demnach „ökonomische Opfer“ gebracht werden. Der Wirtschaftsforscher schlägt eine gemeinsame europäische Finanzierung vor, ähnlich dem Corona-Aufbaufonds „NextGenerationEU“, also einen Topf, in den alle EU-Länder einzahlen, der aber auch über die Finanzmärkte finanziert werden müsse.

Viele Fragezeichen

Wirtschaftlich bringt der Wahlsieg Trumps für Felbermayr zunächst Fragezeichen mit sich. Aus seiner letzten Amtszeit wisse man, dass der Republikaner „umsetzt, was er ankündigt“. Europa stehe aktuell deutlich schlechter da als noch vor einigen Jahren. Von den USA sei man nicht nur sicherheitspolitisch abhängig, sondern auch energiepolitisch, nachdem Erdgas nach dem Abbruch der Handelsbeziehungen mit Russland nun vermehrt aus den USA importiert werde. Die Bemühungen, sich weniger abhängig von China zu machen, hätten für Europa weiters die wirtschaftliche Abhängigkeit von den USA verschärft. „Trump hat damit mehr Verhandlungsmacht“, sagte der Wifo-Chef.

Höhere Zölle würden neue handelspolitische Spannungen mit sich bringen, die USA hätten für Österreich und Deutschland und weite Teile Europas in den vergangenen Jahren als Wirtschaftspartner an Bedeutung gewonnen. Neue Zölle würden die konjunkturelle Erholung in Europa demnach erschweren, europäische Industrieunternehmen könnten sich dazu entscheiden, ihre Produktion vermehrt in die USA zu verlagern, um die Zölle zu umgehen.

WTO in Gefahr

Auch die Welthandelsorganisation WTO sieht der Ökonom in Gefahr. „Trump ist kein Freund globaler Institutionen“, sagte Felbermayr. Eine Schwächung der WTO hätte demnach negative Auswirkungen auf alle Handelsbeziehungen der EU. „Das befeuert auch anderswo Protektionismus“, sagte der Wifo-Chef und verwies unter anderem auf Indien, das bereits jetzt wenig Respekt vor den Regeln der WTO habe und „wenn es darauf ankommt“, opportunistisch sei. Auch die Handelsbeziehungen mit China würden ohne die Regulierung durch die WTO schwieriger. „Das Problem multilateralisiert sich und es bestehen höhere Unsicherheiten mit allen Außenhandelspartnern“, sagte Felbermayr.

„Binnenmarkt stärken“

Vor dem Hintergrund fehlender verlässlicher Außenhandelspartner müsse Europa nun alles daran setzen, den Binnenmarkt zu stärken. „Da braucht es einen Stopp für alles, was den Binnenmarkt fragmentiert“, sagte der Ökonom und fordert weniger Bürokratie und Regulierung. Angefangene Projekte müssten beendet werden, der Wifo-Chef verwies hier vor allem auf die Kapitalmarktunion. Und auch der Ausbau der Infrastruktur sei notwendig, ein leistungsfähiges Schienennetz und „Stromtrassen von Norwegen bis Sizilien“.