Der Vorsitzende der Gewerkschaft vida, Roman Hebenstreit, fordert angesichts der gestiegenen Arbeitslosenzahlen auf aktuell 362.000 Arbeitslose in Österreich einen „sofortigen Stopp der Arbeitsmigrationsmaßnahmen wie der Rot-Weiß-Rot-Card“. Es sei inakzeptabel, dass Arbeitskräfte aus Drittstaaten geholt werden, während immer mehr Menschen ihre Jobs verlieren. „Es müssen vielmehr jene ausgebildet werden, die bereits im Land sind.“

Zunächst zur Ausbildung: In Österreich wird grundsätzlich jeder ausgebildet, außer, er entscheidet sich bewusst dagegen. Das österreichische Ausbildungspflichtgesetz verpflichtet Eltern bzw. Erziehungsberechtigte, dafür zu sorgen, dass Jugendliche, die die allgemeine Schulpflicht erfüllt haben, bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres einer Bildungs- oder Ausbildungsmaßnahme oder einer auf diese vorbereitenden Maßnahme nachgehen. Das Ausbildungsniveau der Bevölkerung steigt: Im Jahr 1971 hatten 58 Prozent im Alter von 25 bis 64 Jahren keinen über die Pflichtschule hinausgehenden Ausbildungsabschluss. Im Jahr 2022 machte der Anteil nur noch 17 Prozent aus. Der Anteil der Lehrabsolventen ist zwar von 26 auf 32 Prozent gestiegen, die absolute Zahl der Lehrlinge erreichte jedoch Ende der 1970er Jahre mit knapp 200.000 ihren Höchststand. Heute beträgt sie knapp unter 110.000.

Zur Arbeitsmigration von Arbeitskräften aus Drittstaaten: Für einen auf Dauer ausgerichteten Arbeitsmarktzugang braucht man eine kombinierte Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung, die die Beschäftigung bei einem bestimmten Arbeitgeber ermöglicht - die Rot-Weiß-Rot Karte. Eine Rot-Weiß-Rot-Card - sie wurde 2011 eingeführt - bekommt nicht jeder, sondern nur besonders Hochqualifizierte oder Fachkräfte in Mangelberufen bzw. Schlüsselkräfte. Bis September 2024 wurden heuer laut Arbeitsministerium 7499 Rot-Weiß-Rot-Karten ausgestellt. Der Anteil jener Karten, die konkret für Mangelberufe ausgestellt wurden, beträgt heuer bisher laut Arbeitsminister Martin Kocher 67 Prozent: „Arbeitsmigration über die Rot-Weiß-Rot-Karte sichert also die Besetzung von Positionen, für die am heimischen Markt keine passenden Bewerberinnen und Bewerber zur Verfügung stehen. Ein Stopp würde den bestehenden Fachkräftemangel verschärfen und die Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft und damit bestehende Arbeitsplätze nachhaltig gefährden.“

Mangelberufe sind jene Berufe, für die innerhalb eines Jahres weniger als 1,5 Arbeitssuchende pro offene Stelle zur Verfügung stehen. 110 bundesweite und 48 regionale Mangelberufe hat Kocher für dieses Jahr benannt - von A wie Ärztin über Krankenpfleger und Schweißerin, Rohrinstallateurin und Dreher bis Z wie Zugführer. Veröffentlicht wird die Liste jeweils gegen Jahresende für das nächste Jahr. Sie wird immer länger - auch Hebamme, Fliesenleger, Rauchfangkehrerin und Koch stehen darauf.

Kocher will die Rot-Weiß-Rot-Karte künftig sogar schneller ausstellen. Qualifikationen sollen bereits im Herkunftsland geprüft werden. Schon jetzt bietet der Integrationsfonds Deutschkurse im Ausland an, um die Arbeitsmarktintegration in Österreich zu beschleunigen. Auch die Fokusländer sollen erweitert werden. Derzeit kommen die Arbeitsmigranten aus 40 Ländern nach Österreich: aus China, Indien, Serbien, den Philippinen, Kolumbien, Albanien, Marokko, Weißrussland, Georgien, Israel und, und, und.

Dass ausländische Arbeitskräfte dem Arbeitsmarkt - und der Wirtschaft - langfristig gut tun, kann auch Wifo-Forscher Stefan Schiman in einer Studie über die Öffnung des österreichischen Arbeitsmarktes in den Jahren 2011 und 2014. Kurzfristig führte der gewachsene Arbeitskräftepool zum gleichzeitigen Anstieg von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit, so Schiman. „Langfristig wuchsen sowohl das Bruttoinlandsprodukt als auch die Beschäftigung durch das höhere Arbeitskräfteangebot.“