Die Volkswagen-Kernmarke VW steckt in einer schweren Krise. Zu Beginn dieser Woche hatte Betriebsratschefin Daniela Cavallo über Pläne von VW berichtet, mindestens drei Werke in Deutschland schließen zu wollen, Zehntausende Arbeitsplätze abzubauen und die Tariflöhne pauschal um 10 Prozent zu kürzen. Zudem verzeichnete der Konzern im abgelaufenen Quartal einen Gewinneinbruch. Die Hiobsbotschaften sorgen auch in der bedeutenden österreichischen Autozulieferindustrie mit ihren 80.000 Beschäftigten für tiefe Sorgenfalten.

Das bestätigt auch Günther Apfalter im Ö1-Radio. In der Sendung „Im Journal zu Gast“ betonte der langjährige frühere Magna-Europa-Präsident im Gespräch mit Volker Obermayr, dass insbesondere die Produktionskapazitäten bei VW angesichts der Marktlage zu hoch seien, die Pläne zur Restrukturierung im VW-Konzern seien daher „absolut einzusehen“, ein „Reset ist absolut notwendig“. In die Untergangsstimmung für die deutsche Autoindustrie mit ihren Flaggschiffen Volkswagen, BMW und Mercedes stimmt Apfalter aber nicht ein. Er verweist auf die Markenstrahlkraft, die großen Service- und Dienstleistungsnetzwerke, „die Innovationskraft und Qualität ist absolut weiterhin gegeben“, so der Automobilexperte. Er sehe „kein Ende, sondern eine Delle“.

Wobei Apfalter nicht verhehlt, dass Deutschland und auch Österreich Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt haben, was insbesondere auf die Entwicklungen bei Lohn- und Lohnnebenkosten sowie den Energiepreisen zurückzuführen sei.

„Die Marke VW wird nicht untergehen“

Eine Schuldzuweisung für die VW-Krise will Apfalter nicht treffen, die Krise müsse man jetzt managen, bei den Produktionskapazitäten sei ein Reset nötig. Seine Warnung, die auch für Österreich gelte: Bei den Tarif- bzw. KV-Abschlüssen dürfe man sich nicht noch mehr ins Abseits schieben indem dem Produkt noch höhere Lohn- und Lohnnebenkosten aufgebürdet werden. Soll sich die deutsche Politik rund um mögliche Standortschließungen bei VW heraushalten? „Sie soll unterstützen und das tun, was zu tun ist, aber nicht bekämpfen, was nicht vermeidbar ist“, so Apfalter. Die Realität sei die Realität, „wenn weniger Autos verkauft werden, dann werden auch weniger produziert und dann sind leider auch weniger Arbeitskräfte nötig“. Wichtig sei, dass das VW-Management den Restrukturierungs- und Konsolidierungsprozess jetzt mache und die Marge, die bei der VW-Kernmarke derzeit nur noch bei zwei Prozent liege wieder auf zumindest vier bis sechs Prozent bringe. Dafür gelte es mit allen Stakeholdern, von Arbeitnehmervertretung bis Politik, zu verhandeln und dann auch schnell in die Umsetzung zu kommen. Apfalter ist überzeugt: „Die Marke VW wird nicht untergehen, sie muss aber frisch gestärkt aus dieser Krise hervorgehen.“

Dass es auch Folgen für die österreichischen Zulieferer gibt, ist klar. „Wenn weniger Autos gebaut werden, wird auch weniger zugeliefert.“ Es werde weniger an Kapazität abgefragt, was zu schwierigen Verhandlungen mit den Herstellern führe. „Es wird eine schwere Zeit für österreichische Zulieferer.“ Ein Jobabbau bei den deutschen Autoproduzenten lasse sich 1:1 auf Österreich umlegen, wenn in Deutschland beispielsweise zehn Prozent der Stellen abgebaut werden, seien es auch in Österreich rund zehn Prozent, so Apfalter.

China-Auftrag für Magna in Graz?

Sein Appell: „Wir müssen die Kosten wieder auf ein wettbewerbsfähiges Maß bringen und Augenmaß halten.“ Wobei er zu bedenken gibt, dass die Lohnabschlüsse der vergangenen drei Jahre, die zu Steigerungen von mehr als 20 Prozent geführt haben, nicht mehr revidierbar seien, „der Senf ist aus der Tube“, sagt Apfalter. Diese Steigerungen sowie die Energiepreiserhöhungen seien auch nicht durch Produktivitätssteigerungen kompensierbar. Zumal auch der Konsum nicht anspringe und damit die Nachfrage verhalten bleibe.

Wird auch bald ein chinesischer Hersteller bei Magna in Graz fertigen lassen? Auf diese zuletzt oft gestellte Frage, will Apfalter nicht direkt antworten, „da muss man das aktuelle Magna-Management fragen“, um dann doch zu sagen: „Ich habe gehört, dass gute Gespräche laufen.“ Dahingehend könnte es nur eine Frage der Zeit sein.

Die EU-Sonderzölle für chinesische E-Autos sieht Apfalter skeptisch, „Schutzzölle werden nicht helfen, sondern für politische Verstimmungen sorgen“. Der Wettbewerb mit den chinesischen Autobauern gehöre jedenfalls angenommen und auch Kooperationen eingegangen

Staatlicher Einfluss auf Lohnverhandlungen

Standortpolitisch sei es für Österreich wichtig, „dass es jetzt schnell eine handlungsfähige Regierung gibt“. Diese müsse rasch Gespräche mit der Industrie aufnehmen, es sei eine Partnerschaft und ein Diskurs notwendig, es gehe um viele Arbeitsplätze. Die angespannte rot-weiß-rote Haushaltsgebarung mit steigendem Budgetdefizit quittiert Apfalter mit dem Appell nach einer Verschlankungskur. Diese würden auch Unternehmen regelmäßig vornehmen und „das muss auch der Staat machen“. Österreich habe kein Einnahmenproblem sondern ein Ausgabenproblem. Von der Politik erwarte er sich, dass auch Einfluss auf die Lohnverhandlungen genommen werde, an sich in Österreich ja eine Domäne der Sozialpartner. Auch bei den Energiepreisen sieht er den Staat gefordert, um diese auf ein „normales Maß zu bringen“. Etwa indem Energieversorger, die mehrheitlich im Landes- oder Bundesbesitz stehen, weniger verdienen, „das wäre aber gut eingesetztes Geld“.