Über die Jahre wurden ihm schon viele Attribute verliehen, darunter „Edelbrenner“ oder „Spitzen-Kulinariker“, wie es der Laudator des Abends, Ex-Wirtschaftslandesrat und Unternehmer Herbert Paierl, hervorstrich. Es war einer der Höhepunkte der Gala im Grazer Mumuth, die Auszeichnung für Alois Gölles, dem der Primus für das unternehmerische Lebenswerk überreicht wurde. Und den Paierl als „einen herausragenden Pionier des wirtschaftlichen Entwicklungsweges und der Erfolgsgeschichte der Südoststeiermark als Agro-Hightech Region“ positionierte. „Für mich steht er im guten steirischen, joanneischen Geist auf einer Stufe mit den bedeutendsten Wirtschafts- und Technologie-Köpfen dieses Landes“, so Paierl.

Alois Gölles ist es gewohnt, in langen Zeiträumen zu denken und unternehmerisch langfristig zu handeln. Vor 40 Jahren erschuf der Pionier mit dem Apfelbalsamessig eine Weltneuheit. „Wir legen es langfristig an“, sagt er, und: „Unsere Strategie richten wir auf Jahre und auf Jahrzehnte aus.“ Da passt es nur konsequent und stimmig, dass Gölles auch die Betriebsnachfolge im Familienunternehmen längst orchestriert hat. Nächstes Jahr wird er 65 und übergibt den Betrieb in Riegersburg an Sohn David. Geschaffen wurde im südoststeirischen Vulkanland ein Betrieb, dem Gölles mit seiner Familie über die vergangenen Dekaden zu einem Glanz verhalf, der weit über die Landesgrenzen strahlt.

Besonders sticht dabei ein in seiner Art einzigartiges Fasslager hervor. Es ist „das größte in Österreich oder vielleicht sogar in Mitteleuropa“, wie Gölles, trotz aller Erfolge stets bodenständig geblieben, nicht ohne Stolz betont. Das Lager ist gewissermaßen die Schatzkammer des Betriebes, dessen Wurzeln drei Generationen zurückreichen und das Ende der 1950er Jahre von Alois Gölles senior auf Obstbau getrimmt wurde. 

Der Tagesausflug nach Graz

„Das Leben in den 1960er-Jahren in dieser Region war alles andere als einfach. Der eiserne Vorhang war nahe, die Wachstumsregionen im Donauraum und im Westen Österreichs weit entfernt. Eine Reise nach Graz, der Landeshauptstadt, erforderte einen ganzen Tag“, skizzierte Paierl. Doch diese Zeit habe „auch einen entscheidenden Katalysator für die positive Entwicklung der Region und der Lebenswege ihrer Jugend“ bereitgehalten: Und zwar Bildung.

Aus seiner eigenen Lebensgeschichte, so Paierl, wisse er, „wie viel Zuversicht und Verzicht es den Familien damals im ‚Armenhaus Österreichs‘ abverlangt hat, den  – in unserem Fall – Sohn in eine weiterbildende oder höhere Schule zu schicken – dies war eigentlich nur den Städtern zugedacht – die Kinder vom Land sollten als Arbeitskräfte am Hof bleiben“, so Paierl, der mit dem augenzwinkernden Hinweis, „unsere erste Fremdsprache in der Volksschule war übrigens Deutsch“, die Lacher auf seiner Seite hatte. „Gott sei Dank gab es vorausblickende Familien wie die des zu Lobenden – er wurde nämlich nach Klosterneuburg in die Höhere Bundeslehr – und Versuchsanstalt für Wein und Obstbau geschickt – dem Mekka der modernen Wein-und Obstbautechnologie.“

Daraus schöpfte Alois Gölles „junior“ viel – er hob den Familienbetrieb auf die nächste Stufe, indem er 1979 aus einer Liebhaberei heraus die ersten Edelbrände destillierte und 1984 mit dem Apfel-Balsamessig eine Weltneuheit schuf, da Balsamessig bis dahin nur aus Trauben erzeugt wurde. Der Erfolg stellte sich über Nacht ein, der Essig ließ die Fachwelt staunen, Preise wurden abgeräumt und einige Jahre später kopierte der Mitbewerb das Original.

© Aufreiter Georg

Und Gölles baute weiter beharrlich auf, was sich heute „Manufaktur für edlen Brand und feinen Essig“ nennt. In der Zwischenzeit füllen 20 Edelbrände und 19 Essigsorten das Portfolio, das 40-jährige Jubiläum des Apfelbalsamessigs feierte die Familie im vergangenen April im Steirereck am Pogusch. Gölles‘ erster Wurf war sein größter. „Der Apfelbalsamessig ist unser Flaggschiff“, betont er.

150.000 Liter pro Jahr

Der 1999 erbaute Keller beherbergt 1400 Barriques allein für den Essig, die Produktion kommt auf 150.000 Liter im Jahr. „Wir produzieren mehr als wir verkaufen, daher können wir die Produkte reifen lassen“, setzt Gölles einmal mehr auf den Faktor Zeit – und kompromisslos auf Qualität. Vom allerersten Balsamessig, Jahrgang 1984, existieren noch eine Handvoll Flaschen, „die wir nur zu besonderen Anlässen hervorholen, zum Beispiel, wenn meine Frau Herta Geburtstag hat“.

90 Prozent des Essigs bleiben in Österreich, der Rest geht nach Deutschland, in die Schweiz – und eine kleine Menge nach Italien, in die Heimat des Balsamico, wie Gölles schmunzelnd quittiert. „20 Prozent aller Produkte werden aber bei uns am Hof verkauft“, streicht der Chef hervor. Pro Jahr kommen rund 30.000 Besucher in den Betrieb, 20.000 davon in die 1993 errichtete und 2015 ausgebaute „gläserne Manufaktur“, Verkostung inklusive. Paierl verwies auf „die bedeckte Architektur seines Genusshotels Riegersburg, vis-à-vis der mächtigen Burg, seiner Erlebniswelt am Stammsitz der Familie – kein Protz, sondern auch dort Spitzenqualität – keine neureiche Politur, sondern erdige, ehrliche Baukultur“.

2025 kommt es zur Übergabe

Von langer Hand vorbereitet hat Alois Gölles auch seine Nachfolge. Wenn er am 29. März 2025 65 Jahre alt wird, übernimmt Sohn David die Verantwortung. Der 35-Jährige wuchs im Betrieb auf und schreibt bereits einige Zeit am eigenen Kapitel. Nach dem Studium der Lebensmittel- und Biotechnologie in Wien und Erfahrungen im Ausland baute er 2018 – in einem ehemaligen Wirtshaus – mit Partnerin Katharina Fleck fünf Kilometer vom Stammhaus entfernt das „House of Whiskey, Gin & Rum“.

Auch die „Gölles‘sche Lebensphilosophie“ hob Paierl hervor: „Besser werden für ein besseres Leben“, diese stehe in erfrischendem Gegensatz zu „larmoyanter Selbstzufriedenheit und Mittelmaß“. Der lang anhaltende Applaus im Mumuth signalisierte vollinhaltliche Zustimmung.

Gölles selbst betonte bei der Gala: „Es waren die goldenen Zeiten des Wachstums, als ich begonnen habe. Und meine Frau Herta als tragende Säule war immer an meiner Seite. Wir werden sehen, was noch kommt.“ Lachend fügte er an: „Mir hat einer gesagt, das Schlimmste was dir passieren kann, ist das Lebenswerk. Weil dann ist alles vorbei. Wir haben nie etwas groß hinausposaunt und unseren Weg beibehalten. Ich habe nicht vor Aufsichtsratsposten zu übernehmen.“ Gattin Herta Gölles ergänzt: „Wir werden gemeinsam mit dem Rad fahren, die eine oder andere Reise unternehmen und gemeinsam im Garten arbeiten.“