Bei der Elektro- und Elektronikindustrie läuten die Alarmglocken. Die derzeitige Entwicklung gefährde die Wertschöpfung in Österreich und Europa und damit den Wohlstand. Die Politik habe den Handlungsspielraum durch zu viel Bürokratie und zu kurze Fristen zur grünen Transformation eingeengt, nun durch Zölle China abzuhalten zu versuchen, sei der falsche Weg. „Den Krieg gewinnen wir nicht“, so WKÖ-Fachverbandsobmann Wolfgang Hesoun. Sein Tipp: „Mehr Vernunft hilft immer.“

Die Vorgaben der Politik müssten für die Industrie machbar sein und die Produkte müssten auch vom Markt nachgefragt werden. „Das musst du dir leisten können“, so Hesoun, der jahrzehntelang Spitzenmanager bei Siemens war. Er plädierte am Mittwoch vor Journalisten dafür, dass, wer in Europa etwas verkaufen wolle, auch einen bestimmten Teil der Wertschöpfung in Europa erzielen müsse. Dies wäre jedenfalls besser als Handelshemmnisse aufzubauen.

Energiepolitik am Pranger

Einmal mehr machte Hesoun heute die misslungene Energiepolitik in Österreich für die hohe Teuerung mitverantwortlich. Letztlich hätten die Energiekosten die Konsumkosten nach oben getrieben, und dies habe wiederum - aufgrund der rollierenden Inflation - zu hohen Lohnabschlüssen geführt. Das alles zusammen schwäche die Wettbewerbsfähigkeit Österreichs nachhaltig.

Der Fachverbandsobmann in der Wirtschaftskammer Österreich stützte sich dabei auch auf eine Studie des Industriewissenschaftlichen Institutes. Deren Studienleiter Herwig Schneider fand durchaus dramatische Worte. „Wir haben wahrscheinlich in den nächsten Jahren weniger Geld in der Börse“, meinte er mit Verweis auf die schwächelnde Wertschöpfung. „Wertschöpfung ist nichts anderes als Wohlstand, da sind auch die Einkommen drinnen“, betonte Schneider.

Investitionsanreize schaffen

Hesoun erinnerte daran, dass die exportstarke Elektro- und Elektronikindustrie bereits 2023 einen Negativtrend verzeichnet habe, 2024 habe sich die Lage weiter zugespitzt. „Es liegt nun an der Politik, den Weckruf der Industrie, der allerorts zu hören ist, ernst zu nehmen und durch nachhaltiges Systemdenken sowie eine aktive Industriepolitik die richtigen Weichen für die Zukunft zu stellen“, so der Branchenvertreter.

Er fordert Investitionsanreize wie etwa den Investitionsfreibetrag, eine Änderung in der öffentlichen Beschaffung mit Fokus auf Stärkung der europäischen Wirtschaft, gezielte Forschungsförderung in Europa, eine Senkung der Lohnnebenkosten und den Abbau von Bürokratie. Schneider pflichtete bei und erinnerte daran, dass Österreich zuletzt EU-weit 2023 die dritthöchsten Lohnstückkosten gehabt habe.

Zwei Szenarien bis 2023

Schneider skizzierte heute zwei Szenarien bis zum Jahr 2030. Das Good-Case-Szenario, in dem eine Fortschreibung der Elektroindustrie-Entwicklung der vergangenen 20 Jahre angenommen wird, ergebe das ein Minus an Steuern und Sozialbeiträgen von 1,43 Mrd. Euro, ein Wertschöpfungsminus von 4,58 Mrd. Euro und rund 36.100 Arbeitsplätze weniger.

Das Worst-Case-Szenario geht davon aus, dass sich aktuelle Rahmenbedingungen wie hohe Energiekosten, globale Wettbewerbsverzerrungen und Bürokratie weiter verschlechtern, während zeitgleich die USA und China Maßnahmen setzen, um die eigene Wettbewerbsposition weiter auszubauen. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen seien ein Verlust von Steuern und Sozialbeiträgen in Höhe von 2,63 Mrd. Euro, ein Wertschöpfungsverlust von 8,44 Mrd. Euro und rund 66.400 Arbeitsplätze weniger als durch passende Rahmenbedingungen möglich wären.

Der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI) vertritt nach Eigenangaben rund 300 Unternehmen mit 74.000 Beschäftigten und einem Produktionswert von 24,61 Mrd. Euro.