Es waren Worte in der Aula der Uni Graz, die damals schockierten – und heute wahr werden. Der ehemalige VW-Chef Herbert Diess erklärte, dass im Umbruch zur E-Mobilität 20 bis 25 Prozent der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie verloren gehen. Schon damals hatte er bei einem Treffen mit seinen Managern prophezeit, dass Volkswagen mitten im Sturm stehe und der Mut fehle, um radikal umzusteuern.
Diess ist Geschichte, er musste gehen, wie so viele andere Vorstände vor ihm, die sich mit dem Betriebsrat und dem VW-Anteilseigner Niedersachsen zerstritten hatten. Die immer wieder prophezeite Krise und das VW-Drama sind aber zur Realität geworden, weil die Renditen des immer noch hochprofitablen VW-Konzerns zuletzt eingebrochen sind und eine Panik ausgelöst haben, die die gesamte europäische Zulieferindustrie mitreißt – und damit auch Österreich. Heute wird bei Volkswagen über den Tarifvertrag verhandelt und man gibt Quartalszahlen bekannt. Werksschließungen und ein massiver Stellenabbau stehen im Raum.
Steiermark und Oberösterreich im Fokus
Vor allem sind zwei Bundesländer betroffen: die Steiermark und Oberösterreich, die erfolgreich einen Autocluster aufgebaut haben. Österreich zählt rund 900 Unternehmen im automotiven Zulieferbereich mit 81.000 Beschäftigten. 65 Prozent aller österreichischen Zulieferer in den Bereichen Antriebsstrang, Elektro, Textil, Mikroelektronik, Infotainment, Fahrwerk, Blechteile etc. Iiefern ihre Produkte nach Deutschland, dem Hauptmarkt.
Der Rest? China (30 Prozent), USA (29 Prozent), Tschechien (26 Prozent), Slowakei (22 Prozent), Ungarn (20 Prozent). Das bedeutet: Alles, was in Deutschland schlecht läuft, trifft Österreich besonders hart, weil die österreichischen Zulieferbetriebe auf den deutschen Exportmarkt ausgerichtet sind, was auch Clemens Zinkl, Geschäftsführer der WKO-Sparte „Automotive Zulieferindustrie“ bestätigt.
VW-Drama und seine Folgen
„Es ist kein Standardraunzen“, sagt Zinkl im Gespräch. „Die Krise manifestiert sich und sie ist intensiver als die Finanzkrise 2009 oder Covid. Damals hatten wir noch eine Perspektive, die uns jetzt fehlt. Wir müssen mit einem Beschäftigungsabbau rechnen. Das ist schlimm, weil wir wissen, dass wir die guten Leute nicht mehr wiederbekommen.“ Dass die Wirtschaftsforschungsinstitute eigentlich für Herbst 2024 eine Erholung prognostiziert haben, sei doppelt bitter, „das war eine Fehlkalkulation.“
Die deutsche Krise trifft die Österreicher mit unabsehbaren Folgen, auch Zinkl traut sich noch keine Prognosen zum Beschäftigungsabbau zu. Zu viel komme auf einmal zusammen. 61 Prozent der Zulieferer liefern direkt an die Fahrzeughersteller, das heißt, dass die Bauteile eine extrem hohe Wertschöpfung besitzen. Die Kosten durch teurere Rohstoffe etc. seien in die Höhe geschossen. Und jetzt, so Zinkl, könne man nicht an die Hersteller liefern, weil viele deutsche Werke ihre Kapazitäten gedrosselt hätten. Damit liegt das Kapital der österreichischen Zulieferer in den Lagern und nicht am Konto.
Alle sind vom VW-Drama betroffen
Fragt man in der Branche nach Namen, wer besonders stark betroffen sei, heißt es unisono: alle. Egal, ob Voestalpine, Magna Powertrain, MSG, sie stehen nur stellvertretend für viele. Man müsse jetzt abwarten, wie tiefgreifend die Entscheidungen von Volkswagen ausfallen. Schließt VW tatsächlich drei Werke und entlässt tausende Mitarbeiter, wird es in Österreich gravierende Folgen haben.
Branchen-Insider erklären, dass Österreich aufgrund der hohen Lohnkosten nicht mehr konkurrenzfähig sei. Innerhalb von drei Jahren habe es Lohnerhöhungen von 25 Prozent gegeben, das sei in Produktpreisen nicht abzubilden. Durch die rezessive Situation nehmen die Mengen an produzierten Fahrzeugen massiv ab, Überproduktion sei die Folge, chinesische Hersteller und Zollkonflikte setzen den Markt zusätzlich unter Druck – genauso wie eine „Regulierungswut bis zum Stillstand der Produktion“, wie es einer der führenden Köpfe der Industrie sieht. Die Politik habe noch nicht realisiert, wie dramatisch die Situation sei. „Jetzt geht es ans Eingemachte. In Europa wie in Österreich.“ Auch 2025 sei mit keiner Erholung zu rechnen, im Gegenteil.