In Gratkorn ist man vom Ende einer Ära überzeugt. Der klassische Autoschlüssel, so ist es im Grazer Norden zu hören, verschwindet. Legitimer Nachfolger? Das Smartphone.
Finden kann man derlei Prognosen im Entwicklungszentrum des niederländischen Halbleiterriesen NXP, der in Gratkorn rund 800 Menschen beschäftigt. Michael Leitner ist einer von ihnen, im Konzern verantwortet er den Geschäftsbereich „Smart Car Access“. Dass Leitner an diesem Tag gut gelaunt ist, hat auch damit zu tun, dass der ins Taumeln geratene VW-Konzern trotzdem weiter auf Produktinnovationen setzt. Jüngst verlautbarte Audi eine neue Sperrtechnologie für Premium-Modelle, bei der das Smartphone anstelle eines klassischen Funkschlüssels eingesetzt wird, NXP wurde explizit als technologischer Ermöglicher genannt.
Lösung für die Plattform
Aufgesperrt wird automatisch, wenn sich die Person mit dem Smartphone in bestimmter Entfernung zum Auto aufhält. Setzt sie sich nieder, kann der Wagen gestartet werden. Schon heuer sollen erste Audis mit der NXP-Technologie auf die Straßen kommen, darunter der Q6 e-tron. Aus Sicht des Halbleiterkonzerns besonders erfreulich: „Audi rollt das als Plattform aus“, sagt Leitner. Was bedeute, dass „jeder Audi, der per Smartphone aufgesperrt wird, dies mit NXP-Technologie tut“.
Essenziell dafür ist die Technologie UWB, also Ultra-Wideband. Eine Funktechnologie, die sich durch hohe Präzision, geringe Latenz – gemeint ist die Verzögerung – und verhältnismäßig niedrigen Energieverbrauch auszeichnet. UWB-Chips sind in Auto und Smartphone verbaut, deren Kommunikation garantiert eine nahezu exakte Positionsbestimmung, im Bereich von wenigen Zentimetern. Entwickelt werden derlei Chips in Gratkorn. Bei Audi wird NXPs UWB-System mit den Funktechnologien Bluetooth und NFC kombiniert. Letzteres, ausgerichtet auf sehr geringe Distanzen zwischen Sender und Empfänger und bekannt vom kontaktlosen Bezahlen, funktioniert als eine Art Sicherheitsnetz. Ist etwa der Handy-Akku leer, kann die Tür dank NFC noch immer aufgesperrt und das Auto anschließend gestartet werden.
Mehr Funktionen als das Aufsperren
Übrigens: Die NXP-Radarsysteme können nicht nur für das Aufsperren und Anstarten von Autos verwendet werden. Eingesetzt werden sie beispielsweise auch für die Objekterkennung im Autoinneren. Selbst schlafende oder zugedeckte Kinder sollen die Systeme problemlos erkennen – und etwa automatisiert eine Warnung an Lenker aussenden, die das Auto verlassen haben. 2025 werden erste Automodelle mit der in Gratkorn entwickelten Schutzfunktion „Child Presence Detection (CPD)“ auf den Markt kommen.