Der Weg ins Weltall ist keine asphaltierte Autobahn. Diese Erfahrung musste auch das Weltraumunternehmen SpaceX von Tesla-Gründer Elon Musk machen. So endeten Erstversuche seines Raketensystems „Starship“, das in Zukunft Menschen und Versorgungsgüter zum Mond und später einmal zum Mars befördern soll, in ziemlich spektakulären Totalschäden: Bei zwei Tests im April und November vergangenen Jahres explodierte das komplette Raketensystem. Auch weitere Versuche des rund 120 Meter langen Systems, das künftig mehr als 100 Tonnen Ladung Richtung Orbit transportieren soll, im heurigen Frühjahr verliefen nicht nach Wunsch. Vor wenigen Tagen dann der Durchbruch: Nachdem man bei den Tests davor neben der Kapsel immer auch die Startstufe in den Indischen Ozean hat stürzen lassen, gelang Mitte Oktober erstmalig die Rückkehr einer Raketenstufe zur Startplattform. Die spektakulären Bilder der Landung haben das Thema Weltraumtechnologie mit Überschallgeschwindigkeit wieder ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit gebracht.
Technologie aus Österreich mit an Bord
Weniger Aufsehen erregte da der Start der „Ariane 6“-Trägerrakete im Juli heurigen Jahres, obwohl er für die europäische Raumfahrt deutlich größere Bedeutung hatte, da man damit wieder über eine eigene Launchmöglichkeit für Satelliten und andere Missionen verfügt. Mit an Bord ist bei diesem Raketensystem auch Technologie aus Österreich. Das Wiener High-Tech-Unternehmen TTTech hat wesentlich an der Entwicklung des Datennetzwerks der Trägerrakete mitgearbeitet. Entsprechende Elektronikkomponenten wie Sensoren und Chips, die einen leistungsstarken und ausfallsicheren Transfer von Navigations-, Steuerungs-, Überwachungs- und Videodaten garantieren, sind in mehr als 50 Teilen der Rechnerplattformen in der Ariane-Rakete verbaut. Auch am bemannten Weltraumprogramm „Artemis“ der NASA ist TTTech beteiligt. Zudem ist man Mitglied von Austrospace, einem Zusammenschluss von aktuell 23 heimischen Institutionen, die im Bereich Raumfahrt tätig sind und mit rund 1300 Mitarbeitern mittlerweile einen Gesamtumsatz von 210 Millionen Euro erwirtschaften, wie Austrospace-Präsident Dieter Grebner vorrechnet. „Für ein kleines Land wie Österreich ist das ganz gut“, verweist er auf eine breite Palette an Einsatzgebieten im Hard- und Softwarebereich der milliardenschweren Raumfahrtindustrie. So liefert der rot-weiß-rote Raumfahrtsektor neben Teilen für Ariane 6 und NASA-Artemis auch Schlüsselkomponenten für die Raumfahrtprogramme Copernicus, Galileo, Mars2020 oder BepiColombo.
Im internationalen Wettbewerb weht den heimischen und europäischen Unternehmen aber ein zunehmend scharfer Wind entgegen. Einerseits seien erst vergangene Woche beim „International Astronautical Congress“ in Mailand Stellenabbau-Programme bei großen europäischen Raumfahrtfirmen diskutiert worden. Andererseits erhöht man
Außerhalb von Europa die staatliche Schubkraft Richtung All massiv. So sind die Pro-Kopf-Ausgaben für Weltraumaktivitäten in den USA sechs Mal so hoch wie in Österreich. „Da sind wir meilenweit hinten“, warnt Grebner. Auch China und Indien rüsten auf: „Daher brauchen wir eine mutige Technologiepolitik.“
Grebner selbst ist Gründer und Geschäftsführer von Peak Technology. Das Unternehmen aus Holzhausen bei Wels hat sich auf die Entwicklung und Produktion von Leichtbauelementen, Hochdrucktanks und Strukturen für Trägerraketen und Satelliten spezialisiert. Unter anderem ist man in das Projekt „Advanced Telescope for High-Energy Astrophysics“ eingebunden. Bis 2035 soll dieses bislang größte Röntgenteleskop 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt in Stellung gebracht werden. Mit dem Gerät können Informationen darüber gesammelt werden, wie im Weltraum aus Materie Galaxien entstehen beziehungsweise wie Schwarze Löcher an Masse gewinnen und so ihre Umgebung beeinflussen.
„Es geht aber um die Hoheit bei der Kontrolle“
Dieser wissenschaftliche Fokus in der Raumfahrt ist zuletzt etwas in den Hintergrund gedrängt worden. Im Vordergrund stehen heute kommerzielle Aspekte bis hin zum Weltraumtourismus und – angesichts der labilen weltpolitischen Lage - Sicherheitsthemen. Diesbezüglich liefern zwar viele europäische Firmen Komponenten und Lösungen auf den Markt, zeichnet Michael Schmidt, Koordinator des Geschäftsfelds Weltraum bei Joanneum Research, die internationalen Verflechtungen nach – unter anderem stammt auch die Chiptechnologie für die Bodenstationen von Musks SpaceX aus Europa. „Es geht aber um die Hoheit bei der Kontrolle“, warnt Schmidt. Europa sei in Teilbereichen wie der Erdbeobachtung führend, bei Informations- und Navigationssystemen ebenfalls vorne dabei, ergänzt Georg Grabmayr von der Europäischen Raumfahrtagentur ESA.
Auf anderen Gebieten hinke man hingegen hinten nach – im Fall von Österreich auch was das finanzielle Engagement an gesamteuropäischen Programmen betrifft. „Zuletzt haben wir zwar einen kleinen Schritt nach vorne gemacht“, lobt Austrospace-Präsident Grebner die Erhöhung des österreichischen Pflichtbeitrags am ESA-Budget für den Zeitraum 2023 bis 2025 auf 261 Millionen Euro. Für die ab November 2025 laufende nächste Periode wünsche er sich aber eine Erhöhung auf 400 Millionen Euro - was drei statt bisher zwei Prozent des heimischen Bruttoinlandprodukts entsprechen würde. Ansonsten drohe Österreich weiter ins Abseits zu rutschen, da sich andere Staaten deutlich großzügiger zeigen. Österreichs Abrutschen gründet auch in den innenpolitischen Turbulenzen nach dem Ibiza-Skandal. Die infolge eingesetzte Expertenregierung schrieb damals die ESA-Beitragshöhe nur fort, während andere Staaten ihre Zahlungen massiv aufstockten. Ein harmonisiertes Vorgehen gibt es aber generell nicht. Dadurch drohe sich Europa insgesamt zu schwächen, stellte zuletzt auch Mario Draghi in seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU fest. „Wir dürfen den Anschluss nicht verlieren“, mahnt daher Hans Martin Steiner, Geschäftsführer von Austrospace und Vizepräsident bei Terma Technologies, dem Wiener Ast eines internationalen Konzerns, der im Bereich Satellitentechnologie weltweit führend ist.
Mars-Simulation in Armenien
Etappenerfolge bei der Aufholjagd konnte die heimische Branche zuletzt bereits verbuchen: Das Österreichische Weltraum Forum (ÖWF) und die ESA nahmen im August in Innsbruck die erste „ESA Ground Based Facility“ in Österreich in Betrieb. Mit dem Vertikal-Laufband steht nun eine europaweit einzigartige Testanlage zu Verfügung, die mit denen der NASA für Astronautentrainings vergleichbar ist. Bereits im Frühjahr führte das ÖWF seine Amadee-24-Analogmission durch. Für wenige Tage lag damals der Mars in Armenien. Ein sechsköpfiges Astronautenteam führte in der kargen Landschaft Zentralasiens einen Monat lang – abgeschnitten von der Außenwelt - Experimente und Simulationen durch, um künftige menschliche und robotische Marserkundungsmissionen vorzubereiten. In der Nähe des Bauerndorfs Armash kamen unter anderem Drohnen und Roboterfahrzeuge sowie vom ÖWF eigens entwickelte Marsanzug-Prototypen zum Einsatz. „Technologie am Rande des Machbaren“, unterstrich ÖWF-Direktor Gernot Grömer die Komplexität dieser Mission, bei der neben 200 Wissenschaftler aus 26 Ländern auch der Logistikspezialist Gebrüder Weiss mit an Bord war. Das Vorarlberger Unternehmen, das auch offizieller Logistikpartner der Swedish Space Corporation (SSC) ist, transportierte Equipment von Maria Enzersdorf nach Armenien und wieder zurück – eine Art „Starship“ der Landstraße.