„Ein deutlich geändertes Zinsumfeld bringt naturgemäß Bewegung in das Anlage- und Finanzierungsverhalten privater Haushalte und erfordert vorausschauende, rationale Entscheidungen der Anleger und Kreditnehmenden“, eröffnete Johannes Turner, Direktor der Hauptabteilung Statistik, eine Pressekonferenz in der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB). Anleger haben prompt auf den raschen Anstieg des Zinsniveaus reagiert und gebundene Einlagen zulasten täglich fälliger Produkte aufgebaut. Hohe Volumina wurden vor allem im Jahr 2023 bewegt, als 26,1 Milliarden Euro an gebundenen Einlagen aufgebaut und 22,4 Mrd Euro an täglich fälligen Einlagen jeweils netto abgestoßen wurden. Im ersten Halbjahr 2024 schwächte sich diese Entwicklung vor dem Hintergrund einer abwärts gerichteten Zinsperspektive etwas ab.

Mehr Wertpapiere

Gefragt blieben weiterhin Wertpapiere, die im ersten Halbjahr 2024 im Ausmaß von 5,1 Mrd Euro gekauft wurden. Der Anlageschwerpunkt lag dabei auf verzinslichen Titeln (+3,3 Mrd Euro). Bevorzugt wurden inländische Produkte, die im zweiten Quartal 2024 87 Prozent des Volumens absorbierten. Während sich die Veranlagung im ersten Quartal 2024 noch überwiegend auf Bankanleihen konzentrierte (93 %) und nicht mehr als 0,7 Mrd Euro erreichte, hat sie sich im zweiten Quartal 2024 auf 2,0 Euro fast verdreifacht und mehrheitlich (56 %) auf staatlich begebene Bundesschatzscheine erstreckt.

„Das seit 2022 lebhafte Interesse an Anleihen stellt einen Wendepunkt im Anlageverhalten der privaten Haushalte dar. Zuvor waren diese Produkte über knapp ein Jahrzehnt hinweg per saldo durchgehend abgestoßen worden“, erklärte Johannes Turner .Abgeschwächt hat sich im ersten Halbjahr 2024 hingegen die Nachfrage nach Investmentzertifikaten (+1,5 Mrd Euro), die im Umfeld der COVID-19-Pandemie noch massiv gekauft wurden (2021: +9,6 Mrd Euro, 2022: +6,1 Mrd Euro).

11,7 Milliarden Euro für Finanzprodukte

Insgesamt investierten österreichische Haushalte im ersten Halbjahr 2024 11,7 Mrd Euro in Finanzprodukte, womit die Veranlagung des gesamten Jahres 2023 (10,2 Mrd Euro) bereits deutlich übertroffen wurde. Die Sparquote erreichte 2023 8,7 Prozent, Prognosen erwarten für das Jahr 2024 sogar 11,4 Prozent.

Damit erreichte das Geldvermögen im Juni 2024 mit 872,1 Mrd Euro nominell einen neuen Höchststand. Das Wachstum in Höhe von +2,6 Prozent spiegelt auch Kursgewinne wider, von denen Wertpapieranleger infolge der günstigen Börsenentwicklung profitierten. Inflationsbereinigt war im ersten Halbjahr 2024 jedoch ein realer Verlust des Geldvermögens von 0,7 % zu verzeichnen, der im Jahr 2023 5,1 % und 2022 sogar 10 % erreichte.

Entwicklung seit 1995

Im historischen Rückblick entwickelten sich die nominellen Finanzaktiva der Haushalte seit 1995 nur zweimal rückläufig: Im Jahr 2008 (–1,5 %) als Folge der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie 2022 (–2,3 %) aufgrund geopolitischer Konflikte und ihrer Auswirkungen auf die Finanzmärkte.

Die Finanzverpflichtungen der österreichischen Haushalte sind 2023 (–2 %) sowie im ersten Halbjahr 2024 (–1 Prozent) etwas gesunken. Im Juni 2024 lag die Verschuldung der Haushalte bei 215,2 Mrd Euro. Diese Entwicklung wurde vor allem durch höhere Finanzierungskosten hervorgerufen, die zu einer rückläufigen Kreditaufnahme privater Haushalte führten.