Österreich steckt im zweiten Rezessionsjahr, die heimische Industrie ist sogar schon das dritte Jahr in Folge mit Rückgängen konfrontiert. Die Industriellenvereinigung (IV) zeigt sich insbesondere über die gesunkene Wettbewerbsfähigkeit besorgt. IV-Präsident Georg Knill hatte im Vorfeld der Nationalratswahlen im „Wirtschaftsprogramm der FPÖ eine sehr große Deckungsgleichheit mit jenem der ÖVP“ attestiert. Was dazu führte, dass eine Art Koalitionsempfehlung seitens der IV daraus abgeleitet wurde, was Knill zurückwies, das sei „hineininterpretiert“ worden, so Knill damals zur „Kleinen Zeitung“. Zu möglichen Koalitionsvarianten wollte er sich auch zuletzt nicht äußern, im Gespräch meinte er in der Vorwoche nur: „Wir verfolgen das Schauspiel und warten einmal ab, bis ernsthaft etwas passiert.“ Man wolle sich nur zu inhaltlichen Themen äußern, doch „Inhalte waren derzeit noch überhaupt nicht dabei“. In der Industrie hatte es zuletzt ja einige Stimmen gegeben, die (meist hinter vorgehaltener Hand) einer FPÖ-ÖVP-Regierung nicht ablehnend gegenüberstehen.
„Rigorose und unbequeme Maßnahmen nötig“
Nun wird es aber zu Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ – sowie einem dritten Partner – kommen, nachdem Bundespräsident Alexander Van der Bellen der ÖVP und Karl Nehammer den Regierungsauftrag erteilt hat. Knill hatte das Wirtschaftsprogramm der Babler-SPÖ vor der Wahl wörtlich als „Katastrophe“ bezeichnet. Im ORF Report sagte Knill am Dienstagabend: Es seien tragfähige Lösungen für das Land und den Wirtschaftsstandort nötig, „die Situation ist wirklich schwierig und herausfordernd“. Es brauche ein „mutiges und ambitioniertes Standortprogramm und rigorose und unbequeme Maßnahmen“, so Knill, der nun meint: „Uns ist egal, in welcher Konstellation.“ Er räumt hinsichtlich des SPÖ-Wirtschaftsprogramms aber ein: „Die Zweifel sind nicht aus dem Raum, aber der Wahlkampf ist vorbei.“ Man werde den Verlauf der Koalitionsgespräche akribisch beobachten und analysieren. Zu den FPÖ-Präferenzen, die bisweilen aus der Industrie zu hören sind, sagt er nur: Er wolle „keine Farbenspiele“, man wolle Inhalte bewerten.
Dreierkoalition? „Extrem schwierig“
Auch das Szenario einer Dreierkoalition, das nun wahrscheinlich ist, hatte Knill vor der Wahl als „Stillstand für Österreich“ bezeichnet. Und jetzt? Es sei die Frage wie die Parteien zusammenarbeiten, das sei „extrem schwierig“, sagt Knill mit Blick auf die deutsche Ampelkoalition. Es seien jedenfalls „massive Veränderungen“ nötig, „Eigeninteressen müssen hintangestellt werden“, so sein Appell. Es sei auch nicht die Zeit für faule Kompromisse.
Jegliche Überlegungen zu neuen Steuern lehnt Knill einmal mehr ab und wiederholt: „Wir haben kein Einnahmenproblem, sondern ein Ausgabenproblem.“ Die Budgetsituation lasse es auch nicht mehr zu, dass man „alles einfach mit Geld zustopft“. Vielmehr seien „Anspruchsdenken und Vollkaskomentalität“ zurückzuschrauben, so Knill.
Die Lage in der Industrie bleibe weiterhin „sehr angespannt“ – konjunkturell und strukturell. Bei Kündigungen sei das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht, so Knills Einschätzung.