Ein eindringlicher Warnruf ertönt einmal mehr aus der österreichischen Immobilienbranche. So habe die neueste Auswertung des „1. Österreichischen Neubauberichts“ bestätigt, wovor man seit langem warne: „Der Wohnungsneubau und die Sanierungen auf Neubauniveau brechen in den kommenden Jahren nicht ein, sondern in Wahrheit zusammen”, sagt Gerald Gollenz, Obmann des Fachverbandes der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Seien 2022 österreichweit noch mehr als 45.000 Wohnungen in allen Kategorien fertiggestellt worden, ging die Zahl 2023 auf rund 42.000 zurück und werde heuer, so die Prognose, auf 36.000 sinken – das ist 2024 ein Minus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. 2025 sollen es laut Bericht, der die Fertigstellungszahlen von Neubauimmobilien in Österreich erhebt und prognostiziert, nur noch 30.000 sein und 2026 schließlich nur noch 17.000 – darin sind allerdings auch die Projekte von Gemeinnützigen enthalten.
Steigende Arbeitslosenzahlen
Auswertungen für die einzelnen Bundesländer liegen derzeit, mit Ausnahme von Wien und Niederösterreich, noch nicht vor. Die Gesamtsituation ist aber wohl, wie Gollenz betont, 1:1 auf die Bundesländer übertragbar. Österreichweit stellt sich die Situation im freifinanzierten Bereich jedenfalls so dar: „Die Zahl der freifinanziert errichteten Eigentumswohnungen wird von heuer bis zum Jahr 2026 von 17.380 Einheiten auf nicht einmal mehr 1800 sinken. Bei neuen Mietwohnungen sinkt die Zahl in diesem Zeitraum laut Prognose von 7350 auf etwa 1350“. Vor allem große gewerbliche Baubetriebe seien wirtschaftlich zwar gut aufgestellt, „aber es wird kritisch“, was sich zuerst wohl im Personalabbau zeigen werde, meint Gollenz und verweist auf den Umstand, dass es am Bau derzeit um etwa 100.000 mehr Arbeitslose gibt als vor einem Jahr. Hinzu komme bei Investitionen in Immobilien ein Wertschöpfungsfaktor von 1:4 – weil es Abhängigkeiten vom Baunebengewerbe bis zu Küchenbauern oder etwa Werbeagenturen gebe.
Immobilienkrise: „Stehen mit dem Rücken zur Wand“
Michael Pisecky, Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Wien und stellvertretender Fachverbandsobmann, erklärt: „Unsere Mitgliedsunternehmen – 12.000 Betriebe mit 26.000 Beschäftigten – stehen mit dem Rücken zur Wand. Aufgrund der KIM-Verordnung wird nicht gekauft und viel mehr gemietet, ein herber Rückschlag für Bauträger.“ Aufgrund des Bestellerprinzips in der Wohnungsvermietung würden „tausenden Maklern überlebensnotwendiges Einkommen fehlen“. Pisecky kritisiert „unüberschaubare rechtliche Rahmenbedingungen“, die für Hausverwaltungen „oft schon zum unüberwindbaren Hindernis werden“. Wohnbeihilfen würden „Hausverwaltern mittlerweile schon ein Studium abverlangen, die Kosten für den Mehraufwand sind für viele kleine Betriebe kaum tragbar“, ergänzt Obmann-Stellvertreter Johannes Wild.
Die Forderung der Branche: Die strengen Kreditvergaberegeln bei Wohnkrediten, also die KIM-Verordnung, „sofort aussetzen und den Sanierungsturbo zünden“.
Nachhaltig sanierte Altbauten: „Mangelware Nummer 1“
Gollenz: „Wir brauchen dringend politische Maßnahmen, um die aktuellen Tendenzen sofort zu stoppen. Die Bedrohung ist nicht nur für unsere Mitgliedsbetriebe gegeben.“ Er prognostiziert, dass Neubauten und ökologisch nachhaltig sanierte Altbauten „in absehbarer Zukunft zur Mangelware Nummer 1 werden“. Entsprechend würden auch die Preise nicht sinken. Was seit 2022 an Neubauwohnungen errichtet wurde, sei auch verkauft worden – „mit einem hohen Anteil an Vorsorgewohnungen“. Dass die Nachfrage im Vorsorgebereich derzeit etwas stocke, liege hauptsächlich an der „Rechtsunsicherheit bei Vermietungen“. Gollenz und Pisecky sind sich einig: „Wir brauchen 40.000 bis 50.000 Wohneinheiten pro Jahr, wir bauen sie aber heuer und nächstes und übernächstes Jahr nicht.“
Gründe für die Entwicklung im Baubereich seien neben der KIM-Verordnung, die nach Ansicht der Branchenvertreter sofort ausgesetzt werden sollte, auch immer höhere Auflagen für das Bauen. Es gebe neun Raumordnungen und neun Baugesetze, „und wir haben 5008 Normen, die wir brauchen, damit wir ein Gebäude errichten.“
„Kein einziger Cent bei uns angekommen“
„Wir brauchen eine Deregulierung, um wieder günstiger bauen zu können“, sagt Pisecky. „Wenn ich heute ein Haus saniere, muss ich es auf Neubau-Standard sanieren. Warum?“ Durch eine „Entstaubung“ der Richtlinien, etwa der Stellplatz-Verordnung, könnte man um 500 bis 700 Euro pro Quadratmeter billiger bauen, meint Gollenz.
Im Februar habe die Regierung eine Wohnbauoffensive mit einem Volumen von zwei Milliarden Euro angekündigt. „Heute haben wir den 22. Oktober, und ich muss Ihnen leider mitteilen, dass noch kein einziger Cent von diesem Geld bei uns angekommen ist.“ Es gebe bisher weder eine Verordnung noch Übergangsbestimmungen. Die Ankündigung habe sogar dazu geführt, dass Leute, die kaufen wollen, lieber noch abwarten, um auch noch in den Genuss von Förderungen zu kommen.