Auch wenn die Metaller – traditionell Taktgeber im Rahmen der Herbstlohnrunden – aufgrund ihres 2023 paktierten Zweijahresabschlusses heuer nicht in den „KV-Ring“ steigen, wird in anderen Branchen ein durchaus hartes Feilschen um höhere Löhne erwartet. Die Sozialpartner haben in der Vorwoche ihren bereits vereinbarten Metaller-Abschluss nur noch bestätigt. Gemeinsam haben Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter die rollierende Inflation von 3,8 Prozent plus ein Prozent, also in Summe plus 4,8 Prozent, final fixiert. Für personalintensive Unternehmen, die unter der Krise besonders leiden, kann eine „Wettbewerbsklausel“ aktiviert werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann damit die Erhöhung um 0,75 Prozent bzw. um 1,5 Prozent verringert werden, wenn dafür ein Ausgleich durch mehr Freizeit oder durch eine Einmalzahlung erfolgt. Grundlage ist eine Formel, die den Personalaufwand im Verhältnis zur Wertschöpfung errechnet.

Für andere Branchen geht es dieser Tage indes erst so richtig los. Am Dienstag wird die private Sozialwirtschaft ihre erste KV-Runde starten. Die Gewerkschaft hat ihre Forderung von plus 6,1 Prozent mehr Gehalt bereits deponiert. Am Mittwoch folgen mit dem Handel und den Eisenbahnern zwei weitere gewichtige Branchen. Die Bierbrauer haben die heurige Herbstlohnrunde unterdessen bereits hinter sich gebracht. Arbeitgeber und Arbeitnehmer der Brauindustrie einigten sich vor einer guten Woche auf ein Plus von 3,9 Prozent brutto.

Was Ökonomen erwarten

In einer ZiB2-Debatte am Montagabend blickten die Ökonomen Hanno Lorenz von der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria sowie Oliver Picek vom gewerkschaftsnahen Momentum Institut den Lohnverhandlungen entgegen. Lorenz erwartet auch heuer „extrem schwierige“ Verhandlungen, insbesondere in diversen Branchen wie dem Handel, wo vom kleinen Einkaufsgeschäft bis zur großen Handelskette für alle verhandelt werde. Nehme man die „Benya-Formel“ ernst, müsste in einigen Branchen ob der gesunkenen Produktivität ein Ergebnis unter der rollierenden, also über ein Jahr durchgerechneten, Inflationsrate herauskommen, so Lorenz.

Ökonom Picek warnt indes vor niedrigen Abschlüssen, insbesondere für Bereiche wie den Dienstleistungssektor oder den Handel sei die Kaufkraft im Inland von wesentlicher Bedeutung. Daher seien niedrige Abschlüsse ein „zweischneidiges Schwert“. Lorenz verweist indes darauf, dass Haushaltseinkommen real mittlerweile über dem Wert von 2019 liegen und auch die Reallöhne gestiegen seien, während die Wirtschaftsleistung rückläufig sei. Es müsse nun in erster Linie darum gehen, wieder Wachstum zu generieren und Arbeitsplätze zu schaffen.

In diesen Branchen wird jetzt verhandelt

Private Sozialwirtschaft. Die Gewerkschaften GPA und vida haben bereits Anfang Oktober ihre Forderungen für den Gesundheits- und Sozialbereich an die Arbeitgeberseite übergeben. Mit der Sozialwirtschaft Österreich (SWÖ) haben heuer die Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst begonnen. Die Arbeitnehmervertretung wünscht sich eine Gehaltserhöhung von 6,1 Prozent. „Eine ordentliche Erhöhung ist ein Zeichen des Respekts vor ihrer hervorragenden Arbeit“, lobte GPA-Verhandlerin Eva Scherz die Beschäftigten der Branche. 130.000 Menschen arbeiten derzeit in über 100 Berufen im Bereich der SWÖ. Der Frauenanteil liegt laut GPA genau wie die Teilzeitquote bei 70 Prozent. SWÖ-Geschäftsführerin und Arbeitgeber-Verhandlungsführerin Yvonne Hochsteiner hoffte indes auf „Fairness und Augenmaß“ bei den Verhandlungen. Hochsteiner erinnerte an die Lohnerhöhung von 9,2 Prozent im Vorjahr: „Wir hatten letztes Jahr den höchsten KV-Abschluss in der Geschichte der Sozialwirtschaft, dieses Jahr sind die Rahmenbedingungen aber andere.“ Eine Abgeltung der Inflation stellte sie erneut „in Aussicht“, diese sei heuer aber „deutlich geringer“.

Handel. Am Mittwoch starten die heurigen KV-Verhandlungen für die 572.000 Beschäftigten im Handel, die Gewerkschaft GPA forderte im Vorfeld bereits einen Abschluss über der rollierenden Inflation von 3,8 Prozent. Eine genaue Prozentzahl werde zu Verhandlungsbeginn bekannt gegeben, wobei es nicht nur um mehr Lohn und Gehalt gehe, sondern auch ums Rahmenrecht, also zum Beispiel zusätzliche Urlaubstage.

Eisenbahn. Für die am Mittwoch startenden KV-Verhandlungen bei der Eisenbahn fordert die Gewerkschaft vida eine Abgeltung der rollierenden Teuerung und die Abgeltung „von gesteigerten Arbeitsbelastungen“. „Die Lohnerhöhungen können sich keinesfalls an der aktuellen monatlichen Teuerungsrate allein oder am prognostizierten Konjunkturrückgang orientieren“, sagte vida-Chef Roman Hebenstreit bereits Anfang Oktober. Konkrete Lohnforderungen will die Gewerkschaft erst zu Beginn der Kollektivvertragsverhandlungen bekannt geben. Die vida pocht bei den KV-Mindestgehältern in den zu verhandelnden Branchen, darunter neben der Bahn auch Verkehr, Lagerei und Reinigung, auf eine spürbare Anhebung. „Mit aktuellen Einstiegslöhnen um die 2.000 Euro brutto im Monat gibt es hier angesichts der in den letzten zweieinhalb Jahren massiv gestiegenen Lebenserhaltungskosten in einigen Branchen noch deutlichen Aufholbedarf“, so Hebenstreit. Die KV-Verhandlungen für die 55.000 Bahn-Beschäftigten, davon 16 Prozent weiblich, starten dieses Jahr am 22. Oktober. Für den Vorsitzenden des vida-Fachbereichs Eisenbahn, Gerhard Tauchner, muss der KV-Abschluss „mehr sein als die Inflation“. Er gehe davon aus, dass es eine „Einsicht bei den Unternehmen“ gebe und es zu „keinen Eskalationen“ kommen werde. Tauchner verwies auch auf die angespannte Personallage in der Bahnbranche. „Der akute Personalmangel im Eisenbahnsektor führt zu mehr als 4,5 Millionen Überstunden und zahlreichen Verspätungen für Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer.“

Reinigung. Die KV-Verhandlungen in der Reinigungsbranche – 54.000 Beschäftigte, davon zwei Drittel weiblich – starteten bereits am 8. Oktober. Neben einer „Lohnerhöhung über der Teuerung“ fordert die stellvertretende vida-Chefin Olivia Janisch für Reinigungskräfte jedes zweite Wochenende garantiert frei und die rechtzeitige Bekanntgabe sowie Einhaltung von Dienstplänen durch die Arbeitgeber.

Güterbeförderung. Die erste KV-Runde für die rund 50.000 Beschäftigten in der Güterbeförderungsbranche, davon 14 Prozent weiblich, startete am 11. November. „Nur eine Verbesserung von Arbeitsbedingungen in Kombination mit der Anhebung von Mindestlöhnen sichert langfristig den Arbeitskräftebedarf“, so vida-Generalsekretärin Anna Daimler. Für die angestrebte Mobilitätswende inklusive Ausbau des öffentlichen Busverkehrs brauche man „immer noch tausende Fahrerinnen und Fahrer“.