Der wochenlange Ausfall der Bahn-Hauptschlagader der Weststrecke durch das Tullnerfeld wird die ÖBB viel Geld kosten. In der Güterbahn-Tochter Rail Cargo kämpft man auch noch mit den Folgen. Für die Rail-Cargo-Gruppe geht deren Chef Clemens Först von einem Schaden in zweistelliger Millionenhöhe aus. Der Betrag sei „nennenswert“, dennoch im „niedrigen zweistelligen Millionenbereich“. 2023 hatte die Güterbahn bei knapp zwei Milliarden Euro Umsatz 13 Millionen Euro (EBT) zum ÖBB-Ergebnis beigetragen.

„Das wird die Bilanz verregnen“, so Först, wenngleich in viel geringerem Ausmaß als bei der ÖBB-Tochter Infrastruktur. „Wir haben geschafft, Österreichs Versorgung sicherzustellen“, so der Güterbahnchef des staatlichen Bahnkonzerns. Dank der Ausweichstrecke über die alte West-Trasse und Umplanungen fahre die Rail Cargo wieder zwischen 85 und hundert Prozent der normalen Gütermengen. Die am 15. Dezember geplante Wiedereröffnung der Tullnerfeldstrecke werde dann den Originalzustand wiederherstellen.

Der Einschnitt sei massiv, werde aber keine mittel- und langfristigen Auswirkungen auf das Geschäft haben, also nicht zu einer weiteren Verlagerung von Gütern auf die Straße kommen, erklärt Först.

Hochwasser nicht nur in Österreich

Die Güterbahn war nicht nur in Österreich von Extrem-Hochwasser betroffen, sondern auch in Polen, Tschechien, Slowenien, Italien und Rumänien. Um etwa den Transport von Haushaltsgeräten aus der Türkei nach Deutschland zu gewährleisten, änderte die RCG die Routen großräumig über Kroatien, Slowenien und schließlich Villach.

Teilweise habe man mit den Kunden die Lieferketten völlig umgebaut, Treibstoffe etwa nicht von der Raffinerie in Schwechat, sondern von der OMV-Raffinerie Burghausen in Deutschland abgeholt, berichtet Först. Damit der Zuckerhersteller Agrana die Rübenverarbeitung in seiner größten Fabrik in Tulln nicht stoppen musste, fuhren die Güterzüge die Stadt über Umleitungen von der anderen Donauseite über Krems an. Wer jetzt tatsächlich für die höheren Kosten oder die Übernahme eines Anteils aufkommt, „darüber sind wir in Gesprächen mit den Kunden“, bestätigt der Rail Cargo-Chef. Bei Umstellung auf Dieselloks koste ein einziger Umleitungskilometer bis zu 20 Euro.

Künftige Baustellen

Umfangreiche Umleitungen werden in den nächsten Jahren allerdings auf mehreren großen Korridorrouten für die Rail Cargo Gruppe eine Rolle spielen. Speziell die Verkehre über Deutschland müssen wegen des 2026 beginnenden Baus der Bahn-Hochleistungskorridore neu geroutet werden. Först: „Das wird uns temporär beeinträchtigen.“ Im Gegensatz zu einem Jahrhunderthochwasser in Niederösterreich sei das aber lange im Voraus planbar.

Konjunkturell ist das Umfeld für die Güterbahn, die die zweitgrößte Europas ist, derzeit alles andere als günstig. Im Vorjahr flossen in Summe knapp 131 Millionen Euro an öffentlichen Leistungen in das System. Aktuell ist die Rail Cargo das erste Bahnunternehmen, das auf „Transporeon“, der wichtigsten Buchungsplattform vor allem in der Lkw-Logistikwirtschaft dabei ist. Dabei handelt es sich vorerst um einen Versuch bis inklusive 2025. Först: „Das ist für uns der Eintritt in die Straßenwelt und für Transpereon der Eintritt in die Bahnwelt.“ Die Bahn müsse künftig die am stärksten wachsenden Gütermengen von Fertigprodukten, Containern, Autos und Lebensmitteln besser abdecken, also per Lkw-Shuttle die Lücke bis zum Gleis schließen.

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| Vorstandssprecher Clemens Först © David Payr