Georg Stumpf war gerade Mitte 20, als er Wien mit dem Millennium Tower ein neues Wahrzeichen direkt an der Donau baute. Auf die ursprünglich genehmigten Höhen und Flächen pfiff der junge Bauherr konsequent. Das Prinzip der Gewinnmaximierung wurde dank eines Ausnahmeparagrafen in der Bauordnung auf 202 Meter Höhe an die Spitze getrieben.

Heute ist Georg Stumpf mit 52 vielfacher Milliardär. Den ersten großen Baustein dafür lieferte der Verkauf des Millennium Tower. Der markante Turm ist in der Wahrnehmung engstens mit Stumpf, der sonst öffentlich möglichst keine Spuren hinterlassen will, verbunden. Die Website der Stumpf Group könnte kein besseres Zeugnis für beides sein: Denn sie zeigt nichts – außer den Millennium Tower, die Büroadresse, Telefonnummer und Office-Mailadresse.

Zweiter sichtbarer Immobilien-Fußabdruck in Wien

Diverse Reichen-Rankings stufen Georg Stumpf oft direkt hinter Mark Mateschitz, den Red Bull-Erben und reichsten Österreicher, ein. Mal werden für ihn 6,5 Milliarden Euro Vermögen genannt, an anderer Stelle etwa doppelt so viel. Was davon zutrifft oder nicht, entzieht sich dem Blick der Öffentlichkeit. Das Vermögen ist in Stiftungen geparkt. Wenn Stumpf nun das Rohbauskelett des einstigen Prestige-Projekts „Lamarr“ aus den Resten der Signa-Gruppe kauft, ist das alles andere als ein finanzieller Kraftakt für ihn.

Der spektakuläre Millennium Tower in Wien
Der spektakuläre Millennium Tower in Wien © IMAGO/Volker Preusser

Nach 30 Jahren könnte das „Lamarr“ sein zweiter sichtbarer Immobilien-Fußabdruck in Wien werden. Vielleicht ist sogar eine Spur Genugtuung damit verbunden, denn einst soll Signa-Gründer René Benko einfach in Stumpfs Büro geschneit sein, um den Tower zu kaufen. Was die Stumpf Group genau mit dem als Luxus-Kaufhaus konzipierten Gebäude vorhat, ist noch unklar. Klar ist, dass der 52-Jährige der Stadt das potenzielle Problem einer Bauruine vom Hals schaffen wird, möglicherweise zum „Preis“ einer tiefgreifenden Umwidmung, denn auch beim „Lamarr“ gibt es Ärger mit den Bauhöhen. Stumpf gilt als knallharter Investor. Dass er Benkos Idee eines mehrstöckigen Luxuskaufhauses eins zu eins umsetzt, halten Experten für unwahrscheinlich. Sie glauben auch, dass die öffentlich zugängliche Dachterrasse, wie sie mit Signa ausgemacht war, unter dem neuen Eigentümer Geschichte werden könnte.

Eine Tochterfirma der Stumpf Gruppe des Wiener Investors Georg Stumpf hat das unfertige Kaufhaus
Eine Tochterfirma der Stumpf Gruppe des Wiener Investors Georg Stumpf hat das unfertige Kaufhaus "Lamarr" auf der Mariahilfer Straße aus der Insolvenz der Signa gekauft. © APA / Georg Hochmuth

Industrieperle als Gelddruckmaschine

Was unabhängig vom „Lamarr“ nahezu bombensicher sein dürfte: Georg Stumpf wird wohl schnell noch viel, viel reicher werden. Nicht Immobilien werden dafür der stärkste Treiber sein, sondern ein Stuttgarter Spezialunternehmen namens Exyte, dessen Mehrheit Stumpf gehört. Der Anlagenbauer errichtet weltweit Chip-Fabriken und Produktionsräume für die Pharmaindustrie. Spezialkompetenz des Konzerns ist der Bau von hochkomplexen und entsprechend teuren Reinräumen, ohne die in der Herstellung von Halbleitern oder Medikamenten nichts geht. Das neue Infineon-Werk in Villach konzipierte Exyte genauso wie die neue Fertigung bei AT&S in Leoben. Die Konkurrenz von Exyte ist überschaubar.

Exyte soll sich als Gelddruckmaschine künftig noch schneller drehen: Stumpf lobte zusammen mit dem Exyte-Chef 2022 das Ziel „Pathway to ten“ aus. Gemeint sind zehn Milliarden Euro Umsatz spätestens 2027. Im Jahr 2022 war der Umsatz um mehr als die Hälfte von 4,9 auf 7,4 Milliarden Euro Umsatz in die Höhe geschnellt. Der Rückgang auf 7,1 Milliarden Euro im Vorjahr darf als kurzes Intermezzo eingeordnet werden, Exyte wurde gleichzeitig profitabler, schreibt schon jetzt hohe Betriebsgewinne. Tatsächlich zurrte Exyte erst an diesem Mittwoch einen strategisch wichtigen Deal fest, kaufte den Mitbewerber Kinetics. Das ebenfalls deutsche Unternehmen ist ein Dienstleister, der auf den Betrieb von Reinräumen, ihre reibungslose Versorgung mit Chemikalien und Gasen spezialisiert ist. Stumpfs Exyte kann damit die beiden sich perfekt ergänzenden Leistungen aus einer Hand anbieten – was „Exentec“, wie die neue gemeinsame Sparte heißen wird, eine noch konkurrenzlosere Position verschafft.

Die Schweizer Jahre

Stumpfs Karriere hatte seinen Ausgang in der väterlichen Baufirma Voitl in Wien genommen. Der Vater stattete ihn mit einer Million Schilling Startkapital aus, das wären heute gerade einmal etwas mehr als 70.000 Euro. Der spektakuläre Millennium-Tower war über Kredite finanziert, dessen Verkauf machte Stumpf 2003 zum Multimillionär. Zusammen mit Mirko Kovats und Ronny Pecik übernahm er 2005 den Schweizer Unaxis-Konzern, die heutige Oerlikon. Zu Unaxis gehörten technologisch wertvolle Unternehmen, zudem hatte die Gruppe ein riesiges Vermögen auf der hohen Kante. Kovats stieg nach Differenzen bereits 2006 aus, Pecik und Stumpf verleibten sich über mehr oder weniger feindliche Übernahmen auch noch die Schweizer Maschinenhersteller Saurer und Sulzer ein, und teilten sich die Beteiligungen untereinander auf. Stumpf verkaufte den Textilmaschinenhersteller Saurer nach Asien, dann überließen er und Pecik die Oerlikon-Gruppe dem russischen Oligarchen Viktor Vekselberg, jeder dürfte mit mehr als einer Milliarde Euro in der Tasche ausgestiegen sein. Die in der Schweiz als „Heuschrecken“ kritisierten Österreicher mussten zwar Gerichtsverhandlungen aushalten, aber der Profit war gemacht.

Georg Stumpf bei einer Oerlikon-Hauptversammlung im Jahr 2008
Georg Stumpf bei einer Oerlikon-Hauptversammlung im Jahr 2008 © AP / Walter Bieri

2009 hatte Stumpf mit dem heutigen Exyte-Konzern jene Industrieperle gefunden, die er bis heute wie einen Augapfel hütet. Für den Weg zur zehnten Umsatz-Milliarde holte er sich vor zwei Jahren finanzielle Unterstützung durch die Hereinnahme privater Investoren, gebündelt über die deutsche BDT, eine Handelsbank. Rund ein Drittel der Anteile soll Stumpf den BDT-Investoren zur Geldvermehrung überlassen haben.

Im Gegensatz zu seinen beiden älteren Schwestern Kathi und Gabi meidet ihr jüngerer Bruder Georg Society-Events. Erst recht, seit seine langjährige Lebensgefährtin und Mutter der gemeinsamen Söhne Gianni und Winston, Patricia Schalko, nicht mehr an Stumpfs Seite ist. Die Zeiten von Familienreisen im privaten Airbus der Stumpf-Gruppe sind vorbei, auch die Zurschaustellung sündteurer Roben zum Opernball. Wie viel Luxus im „Lamarr“ Einzug halten soll, das will man erst in den nächsten Monaten verraten.