Die kriselnden europäischen Autobauer und ihre neuen Konkurrenten aus China treffen auf dem Pariser Autosalon einmal mehr zum Kräftemessen aufeinander. Nach einem corona-bedingt schwachen Auftritt vor zwei Jahren nutzen fast alle deutschen Autobauer wieder die wichtigste Messe des Kontinents, die sich in zweijährigem Turnus mit der IAA Mobility in Deutschland abwechselt, als Bühne für ihre Neuheiten.
Gegen die europäischen Autobauer treten neun chinesische Marken, darunter der E-Auto-Weltmarktführer BYD, an und setzen die traditionellen Hersteller unter Druck. So erklärte der scheidende Chef des Opel-Mutterkonzerns Stellantis, Carlos Tavares, im Radiosender RTL, es seien große Anstrengungen nötig, um mit der Konkurrenz aus China mitzuhalten. Die Kundschaft entscheide, welche Marken überlebten. „Es sind die Kunden, nicht ich, aber da gibt es kein Tabu.“
„Das ist China gegen Europa“
Chinesische Rivalen hätten Stellantis sogar angeboten, manche der 14 Marken des viertgrößten Autobauers weltweit zu kaufen, ergänzte er später. Werksschließungen und Stellenabbau, worüber bei Volkswagen gerungen wird, schloss er für sein Unternehmen nicht aus. Der Stellantis-Chef hat nicht mehr lange Zeit, die Geschicke zu bestimmen. Vergangene Woche kündigte der Konzern an, dass Tavares (66) nach Ablauf seines Vertrages 2026 ausscheidet und wechselte mehrere Manager aus – kurz nach einer Gewinnwarnung.
„Das ist China gegen Europa“, sagte Phil Dunne, Chef der Strategieberatung Stax. Wie in einer Kampfarena verteidigten die Europäer auf der Messe ihr Territorium, während die Chinesen versuchten, Land zu gewinnen. So kündigte als jüngstes Beispiel der staatliche südchinesische Autobauer GAC an, sich in Europa auf die Suche nach einem Produktionsstandort zu machen. Von mehr als einem halben Dutzend Elektroauto-Herstellern aus China wie BYD, Chery oder Leapmotor sind solche Pläne schon bekannt.
Werke in Europa? „Untersuchen diese Möglichkeit sehr aktiv“
GAC gehört zu den größten chinesischen Automobilherstellern und strebt bis 2030 einen Absatz von 500.000 Fahrzeugen in Übersee an. Es verkauft noch keine Elektroautos in Europa, stellt aber auf dem Pariser Autosalon einen auf den europäischen Markt zugeschnittenen Elektro-SUV vor. GAC betrachte Europa nach wie vor als einen wichtigen Markt, der trotz der Maßnahmen der Europäischen Kommission, Zölle auf in China hergestellte Elektrofahrzeuge zu erheben, „relativ offen“ sei, wurde der Generaldirektor des internationalen Geschäfts, Wei Heigang, im Vorfeld der Messe in Paris von „Reuters“ zitiert. „Das Thema Zölle hat definitiv einen Einfluss auf uns. Langfristig kann dies jedoch überwunden werden . . . Ich bin sicher, dass es einen Weg geben wird, das Problem zu lösen“, sagte er. „Die lokale Produktion wäre eine der Möglichkeiten, dies zu lösen“, fügte er hinzu. „Wir untersuchen diese Möglichkeit sehr aktiv.“ Die Gespräche befänden sich in einem sehr frühen Stadium, und das Unternehmen überlege noch, ob es ein neues Werk bauen oder ein bestehendes Werk mitbenutzen oder übernehmen wolle.
USA schotten Markt gegen chinesische Rivalen ab
Die Anbieter aus China drängen mit Macht auf den europäischen Automarkt, da am Heimatmarkt der Konkurrenzkampf mit mehr als 100 heimischen E-Autoherstellern groß ist. Das geht mit Überkapazitäten und einem Preiskampf einher, unter dem auch die deutschen Autobauer an ihrem wichtigsten Absatzmarkt leiden. Absatzrückgang in China zwang neben der schwachen Autokonjunktur in Europa in den letzten Wochen Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW, ihre Gewinnprognosen zu senken.
Zudem schotten die USA ihren Markt gegen chinesische Rivalen ab durch einen Importzoll von 100 Prozent. Das macht Europa als Absatzziel der Chinesen umso wichtiger, auch wenn die Europäische Union mit Zöllen von insgesamt bis zu 45 Prozent E-Autoimporte aus China erschweren will. Die EU rechtfertigt das mit unfairen Subventionen in China. Die Regierung in Peking bestreitet das. Die Verhandlungen darüber laufen noch.
Obwohl chinesische Autohersteller den Schritt der EU kritisierten, hat keiner von ihnen bisher angekündigt, die Preise wegen der Einfuhrkosten zu erhöhen. Sie bieten ihre E-Autos teilweise etwas billiger an als die traditionellen Hersteller. Der von GAC in Paris gezeigte kompakte Geländewagen „Aion V“ etwa soll Mitte 2025 auf einigen europäischen Märkten für weniger als 40.000 Euro angeboten werden.
„Das macht den Leuten große Sorgen“
Die Zölle und hohen Preise von E-Autos schreckten die Verbraucher ab, sagte BYD-Vizepräsidentin Stella Li. „Wer zahlt die Rechnung? Die Verbraucher. Das macht den Leuten große Sorgen.“ BYD kommt mit einem Zollaufschlag von 17 Prozent auf die bisher gültigen 10 Prozent vergleichsweise günstig davon. Der Aufschlag sei unfair, bekräftigte Li.
„Bei den Europäern läuten die Alarmglocken“, sagt Berater Dunne. „Sie haben erkannt, dass sie etwas ziemlich Radikales tun müssen und dafür nur ein paar Jahre Zeit haben.“ Das Augenmerk richtet sich dabei auf niedrigere Kosten, schnellere Entwicklung und neue digitale Funktionen im Cockpit. Die Platzhirsche Renault und Stellantis mit seinen französischen Marken Peugeot und Citroen dominierten den ersten Pressetag zu Wochenbeginn. Auch Audi und BMW rollen neue E-Modelle ins Rampenlicht. Volkswagen wartet mit dem Tayron auf, einem neuen mittelgroßen SUV – allerdings nicht als reines Elektroauto.