Am 25. Juli trat mit der „Corporate Sustainability Due Diligence Directive“, kurz CSDDD genannt, eine EU-Richtlinie in Kraft, die für große Unternehmen umfassende Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit Menschenrechten, Klima und Umweltstandards vorsieht. Laut Schätzung der Europäischen Kommission sind rund 6000 Unternehmen innerhalb der EU und 900 Nicht-EU-Unternehmen betroffen, die mehr als 1000 Mitarbeitende haben und einen Nettoumsatz über 450 Millionen Euro.

Zwei Jahre Frist

Indirekt sind auch alle kleineren Firmen betroffen, die die großen beliefern: Können sie nicht nachweisen, dass sie die Kriterien der Richtlinie erfüllen, laufen sie Gefahr, von ihren Kunden ausgelistet zu werden. Die EU-Staaten haben noch bis 26. Juli 2026 Zeit, die Bestimmungen in nationales Recht umzusetzen. „Hier geht es um die sogenannte Aktivitätenkette vom Rohstoffgewinn bis zum Endverbraucher “, erklärt der Wirtschaftsprüfer Peter Hadl, Partner bei PwC.

Das mag einfach klingen, ist in der Praxis bei grenzüberschreitenden Sachverhalten aber schwer umzusetzen, zumal es in Österreich auch noch keinen konkreten Gesetzestext dazu gibt. Dennoch ist das Thema für österreichische Firmen bereits relevant: einerseits, weil sie Firmen in Staaten wie Deutschland beliefern, wo es bereits Lieferkettengesetze gibt, an die sie sich halten müssen, andererseits weil es, wie Hadl betont, an der Zeit ist, den eigenen Geschäftsprozess zu analysieren, um festzustellen, welche Risiken überhaupt vorliegen. „Eine große Rolle wird die Zertifizierung von Firmen durch Berichte Dritter spielen“, sagt der Experte. Bereits bestehende Gütesiegel würden dafür nicht reichen, weil es die CSDDD bei ihrer Entwicklung ja noch nicht gab.

Ebenfalls noch offen ist, wer die Einhaltung der EU-Richtlinie prüfen wird: „Sicher wird man auch auf Standardisierungs- und Normenüberprüfungsinstitute zurückgreifen.“ Die Dokumentationsarbeit in den Betrieben dürfte enorm steigen. „Da entstehen beträchtliche Kosten, und auf dem inländischen Markt konkurrieren dann Firmen, die diesen Vorschriften unterliegen mit Importen aus Drittländern, bei denen diese Vorschriften kein Thema sind.“

Aufsichtsbehörden und Sanktionen

Um die entsprechenden Mehrkosten für zuliefernde klein- und mittelständische Unternehmen tragbar zu machen, gibt es eine Verpflichtung für CSDDD-Unterworfene, diese Kosten mitzutragen, wie Hadl betont. Etwaige Sanktionen durch die nationalen Gesetzgeber und deren Überwachung durch eine noch nicht definierte Aufsichtsbehörde, die dem Europäischen Netzwerk von Aufsichtsbehörden angehören muss, sollen „effektiv proportional, aber doch abschreckend sein“ – orientiert am Unternehmensumsatz. Die Firmen werden auch Verfahren für die Bearbeitung von Beschwerden über Regelverstöße einrichten müssen und haben Arbeitnehmer und Gewerkschaft über diese Verfahren zu unterrichten, wie Hadl erklärt. Beschwerden können außer von betroffenen Personen, auch von der Gewerkschaft und Vertretungen der zivilen Gesellschaft – insbesondere von NGOs – bei der Aufsichtsbehörde gemeldet werden.

Rechtsanwendung mit Augenmaß

Dass es zum Lieferkettengesetz noch viele offene Fragen gibt, unterstreicht auch die Juristin Barbara Steininger vom Institut für Europäisches Schadenersatzrecht an der Uni Graz. „Im Anhang zur EU-Richtlinie gibt es Verweise auf verschiedene völkerrechtliche Instrumente – die sind typischerweise aber an Staaten gerichtet und nicht an Private und daher nicht sehr konkret“, sagt Steininger. Für Unternehmen sei schwierig abzuschätzen, was sie genau tun müssten. Nehmen wir als Beispiel diverse Überwachungspflichten für einen Textilbetrieb: „Wie gehen Sie damit um, wenn Sie aus einem Gebiet importieren, bei dem Sie nach allgemeinen Informationen annehmen müssen, dass die Menschenrechtssituation oft problematisch ist?“ Verlangt werde allerdings auch nicht, dass Unternehmen alles Unrecht abstellen, sondern sorgfältiges Verhalten – „dementsprechend muss man auch in der Rechtsanwendung mit Augenmaß vorgehen.“

Unklarheiten bestünden aber auch bei der Haftung. „Denken Sie an Kinderarbeit oder das Recht auf angemessene Bezahlung: Welche Schäden sind hier überhaupt abgedeckt?“ Dies sei in den einzelnen EU-Ländern unterschiedlich. Wie die Gerichte die Regelung im Endeffekt umsetzen werden, sei schwer abschätzbar. Entscheidend sei aber auf jeden Fall: „Unternehmen kommen jetzt nicht mehr darum herum, ihre Lieferketten zu überprüfen.“