Österreichs führende Telekom- und IT-Unternehmen haben am Freitag einen umfangreichen und detaillierten Plan vorgestellt, wie das Land durch eine Digitalisierungs-Offensive viele Milliarden Euro in der Verwaltung sparen könnte und gleichzeitig den Bürgerservice und die Standortattraktivität massiv verbessern könnte. Konkret schlägt der Branchenverband „Digitaloffensive Österreich“ sechs Maßnahmen vor, deren „Nutzen“ bei mehr als zwölf Milliarden Euro pro Jahr liege, rechnet der Österreich-Chef des Technologie- und Beratungsunternehmens Accenture, Michael Zettel, vor. Ein guter Teil des Nutzens bestehe in viel weniger Aufwand und geringeren Kosten für die Bürger und Unternehmen.

„Wir stehen hier beisammen, weil wir überlegt haben, was braucht es aus unserer Sicht für den Standort Österreich, wo sind die Herausforderungen“, so Siemens-Österreich-Chefin Patricia Neumann. „Eine der Herausforderungen ist, wenn man in Richtung Verwaltung blickt, dass bis 2035 geschätzt die Hälfte der Bundesbeamten in Pension gehen.“ Das sei sicher ein „großer Ansatzpunkt“ für die Digitalisierung. Ziel sollte sein, Österreichs Verwaltung hochleistungsfähig zu machen und zu halten. Dafür sollte es künftig im Staatshaushalt ein jährliches Budget von einer Milliarde Euro geben, also doppelt so viel wie zuletzt. Zudem sei die Digitalisierung eine Querschnittsmaterie, die also alle gesellschaftlichen Bereiche betrifft. Die Koordinierung der Digitalagenden müsse deshalb in einer neuen Regierung Chefsache werden und im Bundeskanzleramt angesiedelt sein.

Digitale Verwaltungsplattformen

Österreich sei in den letzten Jahren beim E-Government im internationalen Vergleich deutlich zurückgefallen, sagt Zettel. Damit die Digitalisierungs-Milliarde aber nicht als unrealistische Forderung in Zeiten großer Budgetnot im Raum steht, würden die Telekomunternehmen A1, Drei und Magenta weitgehend auf die Förderungen aus der sogenannten Breitband-Milliarde verzichten, so der Vizechef der A1-Group, Thomas Arnoldner. Hier werde unnötig überfördert, sagt er. Rudolf Schrefl, Chef von Hutchison Drei in Österreich kritisiert nicht nur das Gießkannen-Prinzip der Breitband-Milliarde: Vor allem die Vielzahl der Behörden und ihre unterschiedliche Vorgangsweise bei Genehmigungen sei nicht dazu angetan, dass Investoren Österreich für attraktiv hielten.

Tech-Experten: Michael Zettel, Thomas Arnoldner, Patricia Neumann, Rudolf Schrefl und Harald Leitenmüller
Tech-Experten: Michael Zettel, Thomas Arnoldner, Patricia Neumann, Rudolf Schrefl und Harald Leitenmüller © Leonhard Schönstein

Wenige große Maßnahmen seien bei einer Digitalisierungsoffensive in der Verwaltung weit sinnvoller als viele kleine, so Zettel. Die Digitaloffensive macht sich für drei große, neue digitale Verwaltungsplattformen stark: Eine Bürgerplattform, über die alle Verwaltungsanliegen mittels einer digitalen Identität abgewickelt werden könnten. Zettel: „Da gehen wir von einer Investition von jährlich rund 200 Millionen Euro aus, mit einem Nutzen, der deutlich über einer Milliarde liegt.“ Weiters sollte das bestehende Unternehmensserviceportal weiter ausgebaut werden, hier verspreche man sich aus hundert Millionen Euro Investitionen einen Nutzen von mehr als drei Milliarden Euro, dazu gebe es bereits mehrere Studien. Die dritte Plattform könnte eine Lösung für die großen Herausforderungen im Gesundheitswesen sein. „Patienten müssen heute ihren Weg durch das System selbst suchen“, so Zettel. Eine Plattform ermögliche einen niederschwelligen Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen. Aus 200 Millionen Euro Investition pro Jahr ergebe sich mindestens ein Nutzen von einer Milliarde Euro. Das sei niedrig angesetzt, sagt Zettel. Auch hier gebe es Untersuchungen, die den Effekt sogar bei fünf bis sechs Milliarden Euro sähen. Den größten Nutzen, nämlich sieben Milliarden Euro bei 300 Millionen Euro Investitionen, erwartet die „Digitaloffensive Österreich“ in der Verwaltung selbst, würde sie digital hochgerüstet.

„Regulatorik droht digitale Innovation abzuwürgen“

In Österreich seien derzeit acht Ministerien mit digitalen Themen beschäftigt, so der Vizechef der A1-Group, Thomas Arnoldner. Auf EU-Ebene gebe es aktuell 15 neue Rechtsakte, die sich mit digitaler Regulierung beschäftigten. Das seien allesamt enorm komplizierte Materien, die in 27 nationale Gesetzgebungen transponiert werden müssten. „Die Summe dieser Regulatorik droht die digitale Innovation abzuwürgen, bevor sie richtig in Fahrt gekommen ist“, warnt Arnoldner. „Deswegen ist es so wichtig, dass wir das wenigstens auf österreichischer Ebene richtig machen, dass wir eine zentrale Verantwortung schaffen, die die finalen Rechtsakte zusammenfasst.“

Für den Ausbau der digitalen Netze nimmt die Telekombranche schon jetzt immer mehr Geld in die Hand: Arnoldner zufolge dürfte heuer mehr als eine Milliarde Euro an privatwirtschaftlichen Investitionen in die Netze fließen, nach 800 Millionen Euro 2023. Er stellte sogar noch deutliche Steigerungen in Aussicht. „Die Branche ist auch bereit, diese Investitionen weiterzuführen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Wir reden da von Milliardenbeträgen, möglicherweise bis zu zehn Milliarden Euro bis 2030.“ Weil hinter diesen möglichen Investitionen internationale Investoren stünden, brauche es allerdings Rechtssicherheit. Die aktuell laufenden Verfahren zur Servicepauschale seien eine potenzielle Bedrohung für Investitionen, immerhin gehe es um Forderungen, die für die Unternehmen eine Belastung von hunderten Millionen Euro bringen könnten.

Einfache Bedienbarkeit als Schlüssel

„Die Aufgabe der IT-Branche ist, die digitale Transformation mit Nutzen zu verbinden“, betont der Technik-Vorstand von Microsoft Österreich, Harald Leitenmüller. „Es gibt Services für die Bürger, die so nutzenstiftend sind, dass die Menschen sie verwenden wollen.“ Wesentlich dafür sei Cybersicherheit. Zudem dürfe es natürlich keinen Zwang geben, digitale Services zu nutzen, umgekehrt aber auch keinen Zwang zu analogen Serviceleistungen. Entscheidend für die Akzeptanz digitaler Lösungen sei, wie einfach sie funktionieren.