Viele Reisende kennen das Problem, nach einem Flug plötzlich ohne Gepäck dazustehen oder einen schwer beschädigten Koffer vom Förderband am Flughafen ziehen zu müssen. Reinhold Schranz hat als Leiter des Europäischen Verbraucherzentrums Österreich regelmäßig mit derlei Fällen zu tun. „Wenn viel geflogen wird, nehmen auch diese Probleme zu“, ist seine Erfahrung. Gerade betreut er den Fall einer Konsumentin, deren Gepäck nach mehr als 21 Tagen seit ihrer Heimreise nicht wieder aufgetaucht ist und die nun nach Erstellung einer Inhaltsliste rund 3000 Euro als Ersatz von der Airline verlangt. „Bei allen Problemen mit Reisegepäck gilt aber die internationale Montrealer Konvention – im Gegensatz zur Fluggastrechteverordnung, die nur Fälle von Flugannullierung oder -verspätung regelt“, sagt Schranz. Und diese Konvention gibt eine Höchstsumme für Schadensleistungen der Airlines vor, die in sogenannten Sonderziehungsrechten definiert ist. Dabei handelt es sich um eine Währungseinheit des internationalen Währungsfonds, die zum jeweils tagesaktuellen Kurs (online ersichtlich) umgerechnet werden kann. Bei Redaktionsschluss ergab der Maximalbetrag von 1288 Sonderziehungsrechten 1577 Euro.

Daraus folgt schon der erste dringende Rat des Konsumentenschützers: „Wer weiß, dass sein Koffer bzw. Kofferinhalt wertvoller ist, muss das extra versichern lassen: entweder bei der Fluglinie selbst beim Check-in oder mittels einer Reiseversicherung.“ Außerdem: „Immer die allgemeinen Beförderungsbedingungen der Airlines lesen! Die beschreiben, was in den Koffer gepackt werden darf und was ins Handgepäck gehört.“ Grundsätzlich gilt: „Teurer Schmuck, wichtige Dokumente, Medikamente und zerbrechliche Dinge gehören immer ins Handgepäck.“

Listen zahlen sich aus

Prinzipiell gilt ein Gepäckstück als verloren, wenn es nicht binnen 21 Tagen eintrifft, Koffer und Inhalt müssen dann (bis zur genannten Höchstsumme) von der Airline ersetzt werden. Anspruch hat man allerdings nur auf den Zeitwert der Gegenstände, nicht auf den Neuwert. „Der Inhalt des Koffers ist glaubhaft zu machen“, sagt Schranz. Neben Rechnungen zu den eingepackten Gegenständen sind freilich auch Fotos davon hilfreich. Jedenfalls ratsam ist es laut Schranz, vor der Abreise den Kofferinhalt aufzulisten. Grundsätzlich würden Fluglinien den Konsumenten hierbei schon vertrauen.

Bei Problemen mit dem Fluggepäck ist prinzipiell sofort nach der Ankunft am Flughafen ein PIR-Formular auszufüllen, das Kürzel steht für Property Irregularity Report, in diesem sind Kontaktdaten und Informationen zum fehlenden oder beschädigten Gepäck anzugeben. Das geht auch online auf den Websites der Fluglinien. Im Falle einer Koffer-Beschädigung empfiehlt sich aus Beweisgründen aber jedenfalls der Weg zum Gepäckverlustschalter gleich auf dem Flughafen. Außerdem wichtig: Bei Gepäck-Beschädigung gibt es eine strenge Frist von sieben Tagen (ab Erhalt des beschädigten Stücks) für die Schadensanzeige. Schranz: „Es empfiehlt sich, zusätzlich zum PIR-Report auf dem Flughafen noch eine schriftliche Meldung bei der Airline zu machen.“

Ersatzeinkäufe

Kommt das Gepäck verspätet am Urlaubsort an, hängt es vom Reisezweck und der Dauer der Verspätung ab, wieweit Ersatzeinkäufe auf Kosten der Airline getätigt werden können. Für Konsumenten gilt hier keine Höchstsumme, sondern eine Schadensminderungspflicht, also die Pflicht, die Ausgaben möglichst gering zu halten. Nehmen wir das Beispiel einer Reise, die dem Besuch einer Hochzeit mit Dresscode dient: „Hier wird es erlaubt sein, einen Anzug oder ein Kleid zu kaufen, wenn das Gepäck verspätet ankommt“, sagt Schranz. Gehe es hingegen um einen Badeurlaub, sei der Ersatzkauf von festlicher Kleidung wohl nicht gedeckt. Ist der Zweck der Reise wiederum eine Bergtour, die gleich nach der Ankunft am Flugziel beginnt, könne der Kauf der gesamten Bergsteigerausrüstung gedeckt sein, wenn ein Gepäckstück verspätet ankommt. „Auf jeden Fall sollten Sie alle Belege aufheben!“

Wie lange es dauern darf, bis die Ansprüche eines Fluggasts abgewickelt sind? „Prinzipiell haben die Airlines die Fälle rasch abzuhandeln, in der Praxis kann das schon einmal ein paar Wochen dauern“, sagt Schranz. Was die Nachlieferung von Gepäckstücken anlangt, unterscheiden sich die Vorgehensweisen der Airlines. „Viele liefern direkt an den Ort, an dem man den Urlaub verbringt bzw. vor die Haustür daheim. Andere bestellen die Konsumenten auf den Flughafen“, sagt Schranz. Für den Zeitaufwand, um das Gepäck abzuholen (z. B. ein halber Urlaubstag) oder die Taxifahrt könne man der Airline allerdings eine Rechnung stellen.

Rechte bei Pauschalreisen

Wer eine Pauschalreise gebucht hat (also mindestens zwei Leistungen wie Flug und Unterkunft bei einem Anbieter) kann, wie Schranz erklärt, für den Zeitverlust bei einer Fahrt zum Flughafen oder wegen nötiger Ersatzeinkäufe eine entsprechende Ermäßigung des Reisepreises verlangen: Die Pauschalreisekosten dividiert durch die Reisetage ergibt den Preis für einen Reisetag bzw. einen halben. Sich den Schaden doppelt (also von Reiseveranstalter und Airline) ersetzen zu lassen, ist freilich keine Option.