Erhitzung, Trocknung, chemische Reaktionen - für all diese Prozesse braucht die Industrie Energie. Die Treibacher Industrie AG zum Beispiel muss Werkstoffe in Hochtemperaturprozessen mit bis zu 2000 Grad zum Glühen bringen. Den Energiebedarf kann man nicht wegrationalisieren, andernfalls „wandern“ diese Prozesse ab, die Industrie schrumpft und mit ihr der Wohlstand.
Um CO2-Emissionen durch den Verzicht auf Erdöl, Erdgas und grauen Wasserstoff (aus Erdgas) zu reduzieren, braucht die Industrie umso mehr Strom. Allein 20 energieintensive Unternehmen in Kärnten - es sind Leitbetriebe wie Hasslacher, Mahle, Omya, Wild, Flex, RHI Magnesita und Infineon - gehen auf ihrem Weg in die Klimaneutralität von einer Verdoppelung ihrer Strombedarfe auf 2649 Gigawattstunden bis zum Jahr 2040 aus. Denn auch der Bedarf an grünem Wasserstoff, der bis 2030 auf mehr als 1000 Gigawattstunden steigen werde, setzt grünen Strom voraus.
Aber woher nehmen? „In Sachen Wasserkraft und Biomasse ist Kärnten bereits gut aufgestellt. Hier sollte ein Ausbau von Windkraft und Freiflächen-PV aufgesetzt werden, um Kärnten energieautark und energiesicher zu machen. Mit der Diversifizierung des Energiemix sinkt die Anfälligkeit für Preiskrisen und der Standort wird gestärkt“, sagt Anton Burger vom Wirtschaftsberater Compass Lexecon Berlin, der die Studie „Nachhaltiger Energiemix für die Kärntner Industrie“ im Auftrag von Industriellenvereinigung und Kelag durchgeführt hat. Burger präzisiert: „Wind ist ein Schlüssel.“
IV-Präsident Timo Springer versteht die Studie als Argument und Input für die Energiestrategie des Landes Kärnten, die gerade erstellt wird. „Erneuerbare Energieprojekte müssen rechtlich gesehen von überragendem öffentlichen Interesse sein“, sagt Springer. Und: „Die Förderung und der Ausbau Erneuerbarer Energien muss Priorität haben. Ohne Energiemix keine Energiewende. Und diese Energiewende muss zu einer Vergünstigung von Energie führen, sie muss leistbar sein. Günstige Energie ist ein Standortfaktor.“
Infineon-Vorstandsvorsitzende Sabine Herlitschka unterstreicht die Bedeutung der Studie: „Dekarbonisierung ist gleich Elektrifizierung. Aber wenn das am Schluss erst wieder zu höheren Kosten führt, haben wir nichts gewonnen.“
Die Treibacher Industrie AG betreibt bereits die derzeit größte PV-Freiflächen-Anlage Kärnten und investiert aktuell in die Verstromung industrieller Abwärme. „Wir möchten von grauem auf grünen Wasserstoff umstellen. Aber der grüne Strom dafür muss irgendwo herkommen und wir kriegen keine Genehmigungen“, sagt Vorstand René Haberl, der in Kärnten 860 Mitarbeiter beschäftigt. Gerade sei ein weiterer PV-Antrag abgelehnt worden.
Davon weiß Adrian Plessin aus dem Büro von Wirtschaftslandesrat Sebastian Schuschnig nichts. Sagt aber: „Kärntens Energiestrategie wird in erster Linie eine Standortsicherungs-Strategie. In Bezug auf den Strom- und Wasserstoffbedarf wird sich das Papier zum Großteil mit der Industrie decken. Den genauen Technologiemix wird man sich noch anschauen müssen.“ Noch heuer soll der mit den Sozialpartnern abgestimmte Strategieentwurf fertig werden.