„Wir sind uns bewusst, dass einige Positionen derzeit nicht mehrheitsfähig sind. Aber wenn Jahrhundertereignisse alle 10 Jahre auf uns zukommen können, braucht es ein gesellschaftspolitisches Umdenken. Daher stellt sich die Frage, wie wir langfristig sicher leben wollen“, schildert Horst Peter Groß, Präsident des Wissenschaftsvereins Kärnten. Beim 12. Symposium „Wage zu denken“ am Weißensee geht es von 9. bis 11. Oktober nicht nur um die Herausforderungen für das Bauwesen, sondern auch um Antworten, die die regenerative Kreislaufwirtschaft liefern kann.
Als internationaler Vordenker für nachhaltiges Bauen ist auch der deutsche Architekt und Bauingenieur Werner Sobek zu Gast in Kärnten. Und sein Vortrag hat das Potenzial, aufzurütteln: „Die grauen Emissionen, die bei der Herstellung von Gebäuden bis hin zum Um- und Rückbau gigantische Dimensionen erreichen, wurde lange vergessen. Und so war auf der Bühne der Tragödie namens Klimaerwärmung die Bauwirtschaft lange hinter dem Vorhang.“ Dabei stehe sie für mehr als die Hälfte der weltweiten CO₂-Emissionen, für rund 60 Prozent des weltweiten Ressourcenverbrauchs und für etwa 50 Prozent des Massenmüllaufkommens. Deshalb sei es auch so wichtig, mit Baustoffen zu planen, die sinnvoll recycelbar sind und deren Eigenschaften optimal eingesetzt werden.
„Bin gegen den Wohntraum vieler“
„Ich bin gegen den Wohntraum vieler, nämlich Einfamilienhäuser auf der grünen Wiese. Zu deren Flächenbedarf kommen die längeren Verbindungsstraßen hinzu, was noch mehr Versiegelung bedeutet“, sagt Werner Sobek. Der Gründer des gleichnamigen Planungsbüros mit weltweit mehr als 450 Mitarbeitern kritisiert zudem, dass ökologisch zu bauen, oft als zu teuer verworfen wird, „obwohl man nicht einmal richtig durchkalkuliert hat“. Im Bauwesen stehe eine Vielzahl an mit Forschern erarbeiteten Werkzeugen zur Verfügung, aber durch die „Vollkasko-Mentalität von Bauherren“ mache keiner etwas Neues, um kein juristisches Risiko einzugehen.
Dass neue Zugänge trotzdem Chancen haben, will Architektin Sonja Hohengasser am Weißensee unter Beweis stellen: „Wir haben in Kärnten gelungene Beispiele von Baukultur, die zudem die Orte beleben.“ Zwei Vorzeigeprojekte in Arriach und Oberdrauburg seien Gegenentwürfe zu dem Trend, dass Nahversorger aus dem Zentrum ausziehen und an der Hauptstraße „Neubau-Asphaltwüsten“ entstehen. Ersteres überzeuge mehrfach: durch die Holzbauweise, die Bestandssanierung für die Übersiedelung des Gemeindeamts und den neuen Dorfplatz als Treffpunkt. Für das „Drauforum“ arbeiteten die Oberdrautaler Gemeinden zusammen, um einen Supermarkt mit einem Veranstaltungszentrum zu überbauen. „Dieser Mehrfachnutzung und dem flächensparenden Denken gehört die Zukunft“, so Hohengasser, deren Studierende der FH Kärnten ihre Projekte präsentieren werden.
„Lösungen oft schon vorhanden“
„Zusätzlich braucht es mehr Kooperationen, etwa um nicht genutzte Büroflächen zu vermieten. Die Kapazitäten sind oft da, nur fehlt es an Konzepten für deren Nutzung“, so der Denkanstoß von Kreislaufwirtschafts-Experte Andreas Ellenberger. Ob Leerstandsreduktion, Tausch- und Sharing-Lösungen oder Abfallentsorgung – mit der von ihm mitorganisierten „Circular City Challenge“ werden lokale Lösungen angestoßen. „Oft sind diese schon vorhanden. Es geht um die Vernetzung“, so Ellenberger.