Zuletzt haben Ökonomen reihenweise die Konjunkturprognosen für Österreich nach unten revidiert. Es gilt mittlerweile als fix, dass Österreichs Wirtschaft heuer das zweite Rezessionsjahr in Folge durchlebt.
Mit Spannung wurde am Freitagvormittag auf die Präsentation der aktuellen Herbstprognose der beiden großen Institute Wifo und IHS geblickt. Auch hier wird ein drastischer Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP; Gesamtwirtschaftsleistung) erwartet. „Österreich verharrt im Wachstumsloch“, betont Wifo-Chef Gabriel Felbermayr. Die Industrie werde heuer um vier Prozent schrumpfen – und damit doppelt so stark wie noch im Sommer erwartet. Österreich durchlaufe die zwar nicht die tiefste, aber die längste Rezession seit 1946, so Felbermayr. Damit steige auch die Arbeitslosigkeit stärker als bisher erwartet. Felbermayrs Appell an eine neue Regierung: Österreich brauche eine glaubwürdige Reformagenda und eine Strukturreform. Es sei aber nicht die Zeit für ein „massives Sparpaket“, man müsse aber alle Ausgaben überprüfen und alles streichen, was nicht zur Konjunkturbelebung beiträgt. Felbermayr spricht sich für eine Streichung des Klimabonus aus, regt eine Zuckersteuer und erachtet einen Bürokratie- und Regulierungsabbau als zwingend notwendig.
Wifo und IHS haben ihre Konjunkturprognose gegenüber der Juni-Schätzung jedenfalls stark nach unten korrigiert und rechnen nun mit dem zweiten Rezessionsjahr in Folge. Beide Institute erwarten heuer einen Rückgang der realen Wirtschaftsleistung von 0,6 Prozent, bei der Sommerprognose war noch mit 0,0 bzw. +0,3 Prozent gerechnet worden. Außerdem wurde die Prognose für das öffentliche Budgetdefizit 2024 auf 3,7 bzw. 3,5 Prozent des BIP deutlich angehoben.
„Rote Wachstums-Laterne in Europa“
IHS-Direktor Holger Bonin betont: „Österreich fällt in Europa zurück.“ Österreich halte die rote Konjunktur-Laterne. „Das gibt uns schon Anlass zur Sorge“, so Bonin. Andere Länder könnten davon ziehen, auch das sei ein Grund dafür, dass die Verunsicherung so groß sei, „zum Glück ist die Ausgangssituation noch gut“. Wenn diese Wachstumsentwicklung anhalte, falle Österreich aber schleichend zurück, Sorgen um den Wohlstand seien dann berechtigt, warnt Bonin. Es brauche nachhaltige Pläne, wie man das Budget stabilisieren kann. Es sei auf eine rasche Regierungsbildung zu hoffen. Auch Bonin regt die Abschaffung des Klimabonus an. Auch eine Reform der Bildungskarenz in Form strengerer Regeln sei anzudenken. „Sparen ist kein Selbstzweck, aber es geht darum, genügend Mittel für zukünftige Wachstumsinvestitionen freizuspielen.“
Industrie und Bau weiterhin schwach
Vor allem die rückläufige Geschäftsentwicklung in der Industrie und am Bau sowie ein schwacher Konsum belasten im laufenden Jahr die Konjunkturentwicklung in Österreich. Im Vorjahr schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1 Prozent. Für 2025 rechnen das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und das Institut für Höhere Studien (IHS) mit einem Impuls aus dem Ausland und steigenden Konsumausgaben. Das heimische BIP soll dann um 1 Prozent bzw. 0,8 Prozent wachsen. In ihrer Juni-Prognose gingen die Ökonomen aber noch von einem Wirtschaftswachstum in Höhe von 1,5 bzw. 1,6 Prozent aus.
Inflation sinkt etwas
Nach den Rekord-Inflationsjahren 2022 und 2023 mit 8,6 Prozent und 7,8 Prozent soll die Teuerung heuer hierzulande mit 3,1 bzw. 3,0 Prozent deutlicher niedriger ausfallen. Im kommenden Jahr gehen die Wirtschaftsforscher von einem Anstieg der Verbraucherpreise um 2,2 bzw. 2,4 Prozent aus.
Höhere Ausgaben und ein schwächerer Anstieg der Steuereinnahmen lassen das staatliche Budgetdefizit weiter steigen. Im Juni rechneten Wifo und IHS mit einem Budgetsaldo im Jahr 2024 von -3,2 Prozent und -3,0 Prozent, in der Herbstprognose werden nun bereits -3,7 Prozent bzw. -3,5 Prozent erwartet. Damit liegt das Defizit über den EU-Schuldenregeln (Maastricht-Kriterien) von 3 Prozent. Im kommenden Jahr erwarten die Ökonomen einen Finanzierungssaldo des Staates von -4,0 Prozent bzw. -3,4 Prozent.
Die schwächelnde Wirtschaft lässt die Arbeitslosigkeit steigen. Wifo und IHS gehen von einem gleich hohen Anstieg aus. Die Arbeitslosenrate soll sich von 6,4 Prozent im Jahr 2023 auf heuer 7,0 Prozent und 7,2 Prozent im kommenden Jahr erhöhen.
Budgetdefizit liegt klar über drei Prozent
Unterdessen hat auch das Finanzministerium seine Defizitprognose für das Budget des Jahres 2024 auf 3,3 Prozent des BIP erhöht. Dieses bewegt sich damit über der Maastricht-Grenze von drei Prozent. Gründe dafür seien eine ausbleibende Konjunkturerholung, die schwer abschätzbaren Effekte der Hochwasserkatastrophe und die Erhöhung des Klimabonus, hieß es aus dem Ressort. Im März habe die Defizit-Prognose noch 2,9 Prozent betragen.
Der Fiskalrat spricht indes schon seit längerem von einem Defizit von 3,4 Prozent des BIP. Auch IHS und Wifo gingen nicht davon aus, dass Österreich unter drei Prozent liegen werde.
Die Schuldenquote liegt laut Prognose des Finanzministeriums nun bei 79,3 Prozent des BIP und damit etwas über dem Stand von 2023 (77,8 Prozent). Das BIP 2024 werde nun deutlich niedriger angenommen, u.a. wegen einer schlechter erwarteten Konjunktur für 2024.
Bereits Anfang September hatte Raiffeisen Research für heuer einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP; Gesamtwirtschaftsleistung) von 0,5 Prozent prognostiziert, Mitte September errechnete die Oesterreichische Nationalbank (OeNB) für 2024 gar ein BIP-Minus von 0,7 Prozent. Auch die Ökonomen der Bank Austria halten eine Rezession in diesem Jahr für wahrscheinlich. In der Vorwoche hatte die Statistik Austria zudem den Wirtschaftsrückgang von 2023 nachträglich nach oben revidiert – das Minus lag nicht bei 0,8 Prozent, sondern bei minus 1,0 Prozent.