Der seit Dienstag laufende Streik der US-Hafenarbeiter an der Ost- und Golfküste droht der US-Wirtschaft milliardenschwere Kosten einzubrocken und sorgt vor den Präsidentschaftswahlen für Unruhe. Das Weiße Haus, das bisher seine Befugnisse zu Beendigung des Arbeitskampfes nicht einsetzen will, erhöhte den Druck auf die Arbeitgeber und forderte eine rasche Einigung.

Von US-Präsident Joe Biden kam die Aufforderung an die Reedereien, an den Verhandlungstisch zu kommen und den Arbeitern „ein faires Angebot zu unterbreiten“. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, verwies zudem auf die boomende Nachfrage nach Schifffahrtsdienstleistungen seit der Coronapandemie. „Die Reedereien haben seit der Pandemie Rekordgewinne und in einigen Fällen einen Gewinnanstieg von über 800 Prozent erzielt.“ Es sei nur fair, dass auch die Arbeiter eine deutliche Lohnerhöhung erhielten.

Starke Auswirkungen für Europa

Der Arbeitskampf hat bisher etwa die Hälfte des Seetransports des Landes lahmgelegt. Nach Schätzungen von Analysten von JPMorgan könnte der Streik die US-Wirtschaft täglich etwa 5 Milliarden Dollar (4,5 Mrd. Euro) kosten. Alle Warenströme, auch Autotransporte, sind blockiert. „Wenn der Streik sich über Wochen hinzieht, wird es eine Tragödie“, sagte Steve Hughes, Vorsitzender von HCS International, einer Firma, die den Automobilsektor in Schifffahrtsfragen berät.

Europäische Auto-Konzerne seien am stärksten betroffen, sagte Barclays-Analyst Dan Levy. „Die europäischen Autohersteller verlassen sich bei Importen stark auf Baltimore und bei Exporten auf südöstliche Häfen wie etwa Charleston, da der Großteil ihrer US-Produktion in dieser Region stattfindet.“ BMW und Volkswagen erklärten, sie würden die Situation genau beobachten und daran arbeiten, die Auswirkungen zu minimieren. Volvo Cars teilte mit, Notfallpläne auszuarbeiten. Ein Mangel an Teilen könnte einige Autobauer dazu nötigen, die Fahrzeugproduktion herunterzufahren. Analysten führten indes an, angesichts ihrer hohen Auftragsbestände würden insgeheim einige Autobauer wie etwa Stellantis dies begrüßen.

Bemühungen zuvor gescheitert

Regierungsvertreter hatten sich vor dem Streik mit der Arbeitgebergruppe United States Maritime Alliance (USMX) und der Gewerkschaft International Longshoremen's Association (ILA) getroffen, um eine Einigung zu erzielen. Die Regierung hat wiederholt ausgeschlossen, im Falle eines Scheiterns die Bundesbefugnisse zur Beendigung eines Streiks zu nutzen. Der US-Präsident hat das Recht, gewisse Streiks zu unterbinden. Die Gewerkschaft ILA, die 45.000 Hafenarbeiter vertritt, hatte mit der USMX über einen neuen Sechsjahresvertrag verhandelt. Nach Ablauf der Frist am 30. September um Mitternacht begann der Arbeitskampf.