Es ist der Moment der Wahrheit. Für jedes einzelne Auto. Jan Erik Berggren hat sich die Handschuhe angezogen, Tommy Wahlström sitzt am Beifahrersitz, im Fond haben weitere Kollegen Platz genommen. Die Strecke, ihre Pilonen, und ihre Hindernisse, befinden sich auf einem kleinen Flugfeld in der Nähe der Tannis-Bucht, gut 40 Minuten nördlich von Aalborg. Es geht los, Coty (Car of the Year) und seine Jury bei der Arbeit.
Es ist der Auftakt zu einer Testserie der Jury Auto des Jahres (“Car of the Year“, abgekürzt Coty). Es ist der prestigeträchtigste Preis der Branche. Hier, in dem kleinen abgeschiedenen Dorf, treffen sich alljährlich Journalisten der 60-köpfigen Jury, auch die Kleine Zeitung hat ihren Platz in diesem exklusiven europäischen Zirkel.
Coty als Gütesiegel
Dutzende Autos stehen stehen zum Test bereit. Chinesische Hersteller genauso wie alle namhaften europäischen Autoproduzenten bringen ihre Fahrzeuge hierher. Jeder weiß, wie ernst die europäische Journalisten-Runde den Job nimmt. Porsche stellt sich genau wie Audi, Alfa, Citroën, Kia, Cupra, Hyundai oder Neulinge wie Xpeng, BYD oder Nio den Journalisten und objektivierbaren Tests.
Vom Citroën-Billig-Stromer bis zum Porsche: alle bei Coty
Das zweitgünstigste E-Auto am Markt, Citroën e-C3 (ab 24.900 Euro) erhält genauso kritische Rückmeldungen wie der neue elektrische Porsche Macan.. Hybride aller Art werden ebenso unter die Lupe genommen.
Hier, auf dem Flugfeld und in den Händen von Erik Berggren und Tommy Wahlström sind alle gleich. Eine mit Pilonen gespickte Strecke, Ausweichmanöver, künstliche Hindernisse, Elchtest. Hier wird schnell klar, wer seine Stabilitätsprogramme gut eingestellt hat und seine Fahrzeuge sicher. Die ersten Ergebnisse sind da, durchaus überraschend und alles andere als angenehm für einige: Der BYD Seal U als E-Auto und Hybrid bekommt zum Beispiel das Urteil: „Nicht akzeptabel. Muss neu abgestimmt werden.“ Das wollen die Chinesen auch umsetzen.
Grenzerfahrung für mehr Sicherheit im Straßenverkehr
Bei Geschwindigkeiten jenseits der 70 km/h, bei real nachgestellten Ausweichmanövern, sieht man sehr schnell, welches Auto an seine Grenzen kommt. Das Urteil hat Gewicht, die Branche schickt Experten für jedes Auto, um Probleme festzustellen oder auszuleuchten. Auch eines der günstigsten E-Autos, eben der Citroën eC3 kann punkten – mit seinem sicheren, allgemeinen Verhalten. Dass er ein bissl poltert, dass er bei 90 Windgeräusche bekommt, wird dann bei den individuellen Tests erfasst.
Festgestellt wird bei den Tests auf dem Flugfeld: Der elektrische Alfa Romeo Junior Veloce ist einfach zu handeln, besser als der Hybrid, auch, weil das ESP früher eingreift.
Härtester Autotest der Welt: das sind die Coty-Ergebnisse
Der elektrische Audi Q6 e-tron Ultra Quattro überzeugt auf allen Linien (schnelles Lenkverhalten, kaum Wankbewegungen, ESP reagiert schnell, gutes Verhalten für so ein großes Fahrzeug, fühlt sich sicher an.“)
Cupra Tavascan und Terramar würden mehr ESP-Unterstützung brauchen, beim Dacia Duster Extreme Hybrid arbeitet das ESP bei höheren Geschwindigkeiten schlechter, bei den neuen Ford-Elektrikern Capri und Explorer bräuchte man bei höheren Geschwindigkeiten mehr ESP-Unterstützung.
Der Ford Tourneo Courier Active 1,0 EcoBoost hat schon bei niedrigeren Geschwindigkeiten Probleme beim Lenken bei einem Ausweichmanöver und bei der ESP-Abstimmung.
Dafür überrascht der kleine elektrische Hyundai Inster, der zwar ein bisschen (sicher) untersteuert, aber für den kurzen Radstand absolut sicher in Extremsituationen bleibt. Der große Hyundai Santa Fe bleibt weich, das ESP bekommt ob der Größe bei höherem Speed Probleme.
Der neue Kia EV3 bräuchte bei höheren Tempi, jenseits der 75 mehr Unterstützung vom ESP, der neue Lexus-Hybrid LBX kommt auch bei Tempo 74 noch klar in seinen Rückmeldungen und sicher rüber.
Der MG3 Hybrid Comfort verhält sich sicher, auch in den 70ern, man hat im Vergleich zu den Vorgängermodellen sicherlich dazugelernt. Und auch das ist eine Besonderheit: Rückmeldungen fließen direkt in die Branche, man nutzt die Tannis-Testtage auch zur Präsentation von Vorserienmodellen, um noch das letzte fehlende Alzerl bei der Abstimmung nachzubessern.
Coty: Licht- und Schattenseiten
Der Opel Grandland Electric wird noch eine Nachbesserung brauchen: Er fällt schon vor dem 70er-Tempo beim Elchtest auf. Urteil: Zu weich, zu schwammig, Wankbewegungen. Da passt die letzte Abstimmung nicht. Die Hybridversion kommt etwas besser weg.
Der neue Polestar 4 steigt bei 71 km/h aus, und würde mehr ESP-Unterstützung benötigen – da ist zu wenig da. Auch der Polestar 3 sehnt sich nach mehr ESP-Support – bleibt aber stabil.
Der Porsche lenkt so schnell, dass selbst der Testfahrer baff ist. Untersteuern setzt erst bei 77 km/h ein, „Auto bleibt immer stabil“.
Der Renault 5 E-Tech Electric fährt auf der sicheren Seite, würde aber ein bisschen mehr ESP-Unterstützung benötigen. Steigt erst Ende der 70er aus. Überzeugen kann auch der Renault Symbioz E-Tech Full Hybrid: Sicheres und angenehmes Verhalten, auch im Extrembereich.
Skoda überrascht mit einem Unterschied bei seinen Modellen: Der Skoda Kodiaq 1,5 TSI PHEV, gibt sich sicher und präzise, erstaunlich für so ein großes Fahrzeug. Beim Superb 1,5 TSI PHEV fällt das Urteil etwas anders aus: Wenig ESP, untersteuert früh, nicht so schnell beim Lenken.
Auch der Suzuki Swift 1,2 GLX Mild Hybrid (inkonsistent in seinen Reaktionen, zu weich) und der Volvo EX90 Ultra Twin Performance AWD (verliert leicht die Kontrolle, zu wenig ESP-Einsatz, fragwürdiges Verhalten) bekommen kritische Worte mit auf den Weg.
Herzstück des härtesten Autotests – und dann kommt die Software dran
Für die Jury ist das das Herzstück der Arbeit. Dann folgen die individuellen Testfahrten, auf allen Terrains. Am Strand genauso wie auf Straßen, um Verbräuche, Verhalten, aber auch subjektive Empfindungen herauszufiltern. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, an einer Wand hängen Dutzende Schlüssel, die man nimmt, und dafür sein Namensschild aufhängt. Man tauscht sich mit den Kolleginnen und Kollegen aus, permanent, man ist in einem Diskurs, jedes Detail zählt.
Wenn Autos Witze erzählen
Auch die Software, ein immer wichtiger werdender Bestandteil zum Erfassen eines Produkts, wird bis ins letzte Detail untersucht. Man sieht erhebliche Unterschiede: Europäer, die mit Google arbeiten, wie etwa Renault, haben bei der Sprachsteuerung immens aufgeholt, da sind sie den Chinesen mindestens ebenbürtig. Die Chinesen wiederum punkten mit ihrer Verspieltheit, etwa, wenn BYD ein Karaoke-Mikrofon an Bord hat, oder Nio ein kleines Püppchen namens Nomi mit elektronischen Augen mit dem Fahrer kommunizieren lässt. Und wie so viele andere schlechte Witze erzählen kann. Auch dafür sind Autos anno 2024 da. Aber das ist eine andere Geschichte.
Tannis ist erst der Beginn der Testserie. Weitere werden folgen, bis nach Brüssel, dem großen Schlusstest. Bis im Jänner 2025 das Auto des Jahres fest steht. Wir werden Sie informieren. Neben der Kleinen Zeitung (Didi Hubmann) sitzen auch noch Kurier (Michael Andrusio) und Autorevue (Susanne Hofbauer) in der Coty-Jury.