Die offizielle Sprachregelung war schnell gefunden. „Überrascht“ seien beim steirischen Leitbetrieb AT&S, ein Spezialist für Leiterplatten und IC-Substrate, alle gewesen an diesem Mittwoch. Überrascht, dass der langjährige CEO, Andreas Gerstenmayer, seinen Rücktritt bekannt gab. Tatsächlich wählte der Topmanager, der 2010 an die AT&S-Spitze kam, ein rasantes Tempo für seinen Abschied. Schon mit 30. September, also kommenden Montag, scheidet er aus dem Vorstand aus, gelaufen wäre sein Vertrag eigentlich bis 2026.

Doch kommt Gerstenmayers Abschied wirklich so überraschend, wie nun verlautbart wird? Manches spricht dagegen. So war im Vorfeld einer außerordentlich einberufenen Aufsichtsratssitzung am 6. September in einem Artikel der Presse zu lesen, dass Hannes Androsch – Aufsichtsratschef und mit Willi Dörflinger größter AT&S-Einzelaktionär – den Termin nutzen wolle, um „seinen größten Widersacher, AT&S-Chef Gerstenmayer aus dem Konzern zu drängen“. Zu persönlichen „Konflikten“ hätten laut dem Bericht ein gescheiterter Einstieg der Staatsholding ÖBAG und deren Folgen geführt. So soll Andreas Gerstenmayer, einer der Architekten des ÖBAG-Deals, intern die abgeblasene Kapitalerhöhung als Grund für einen Personalabbau und den jüngst erfolgten Verkauf des Werks in Südkorea genannt haben.

„Drei einstimmige Beschlüsse“

Im Gespräch mit der Kleinen Zeitung umschweift Hannes Androsch die Frage, ob ein Machtkampf tobte. „So viele Meldungen haben nicht gestimmt. Da kommt es auf die eine oder andere mehr auch nicht an“, heißt es vom 86-Jährigen lapidar. Jedenfalls aber hätte es in letzter Zeit „drei einstimmig getroffene Aufsichtsratsbeschlüsse“ gegeben, in denen bestimmte Formen der Beteiligung vorerst abgelehnt wurden. Ob Androsch selbst also auch völlig überrascht vom Rücktritt des Vorstandschefs sei? „Das sei dahingestellt“.

1994: Die AT&S wird privatisiert, Helmut Zoidl, Hannes Androsch und Willi Dörflinger übernehmen
1994: Die AT&S wird privatisiert, Helmut Zoidl, Hannes Androsch und Willi Dörflinger übernehmen © AT&S

Jetzt gelte es primär, sich auf die „Hausaufgaben“ im Konzern zu konzentrieren, sagt Androsch mit dem Verweis auf „Kosteneffizienz und Qualität“. Die Spitze des Vorstands jedenfalls müsse bald adäquat besetzt sein. „Je rascher, desto besser“, sagt der Aufsichtsrats-Chef. Der Ball liege beim Nominierungsausschuss.

Bezüglich der wirtschaftlichen Prognose des Konzerns, bei dem auf ein Nachfragehoch in Pandemie-Zeiten eine unerwartet harte Landung folgte, zeigt sich Hannes Androsch zuversichtlich. Man sei zwar „unzufriedenstellend“, mit Blick auf die gesamte Branche aber „vergleichsweise ganz gut unterwegs“. Im „nächsten Jahr“, zeigt sich der einstige Finanzminister überzeugt, werde man „wieder an Fahrt aufnehmen“. Auch, weil sich die „Weltmarktumstände langsam bessern“.

Aktie unter Druck

Im Mai hat AT&S den Abbau von weltweit rund 1000 Stellen angekündigt, davon 200 bis 250 an den österreichischen Standorten Leoben-Hinterberg sowie Fehring. Bereits im Geschäftsjahr davor hat AT&S seine Belegschaft inklusive Leihpersonal um ein Zehntel auf 13.828 reduziert. Damals drehte das Betriebsergebnis von plus 137 Millionen Euro auf einen Jahresverlust von 37 Millionen Euro. Der Jobabbau fand zu diesem Zeitpunkt vor allem in China statt, weniger in Österreich.

Die Aktien von AT&S gerieten nach Bekanntwerden der Personalentscheidung am frühen Dienstagnachmittag an der Wiener Börse jedenfalls gehörig unter Druck. Die Titel des Leiterplattenherstellers rutschten gegen 13.50 Uhr um 5,31 Prozent auf 19,62 Euro ab. Zum Börsenschluss machte das Minus 6,3 Prozent aus. Zum Vergleich: Der heimische Leitindex ATX beendete den Dienstag mit einem knappen Minus von 0,1 Prozent.