So geradlinig der Mensch Josef Zotter auftritt, so verwinkelt ist die Unternehmensgeschichte des steirischen Chocolatiers. Vor allem zu Beginn, folgte doch auf gar rasantes Wachstum recht bald die Überforderung und der damit einhergehende betriebliche Bauchfleck, die Insolvenz. Inmitten des Newsrooms der Kleinen Zeitung blickt der 63-Jährige aber in keiner Sekunde wehleidig auf diesen Zeitraum Mitte der 1990er-Jahre zurück: „Ganz oben, am Berggipfel, ist es zwar schön, man kann dort nicht leben. Ganz unten ist es auch nicht super, am schönsten ist es irgendwo in der Mitte“.
Vehement plädiert Zotter für eine „Kultur des Scheiterns“. Unternehmerisch gäbe es diese in unseren Breitengraden einfach nicht, obwohl persönlich „jeder und jeder irgendwann im Leben scheitert“. Dabei sei die Fehlerkultur essenziell, um wirkliche Innovation, Zotter spricht lieber von „Erfindungen“, zu gewährleisten.
„Wir sind zu viel Staat“, sagt Zotter und geißelt Sicherheitsdenken und Förderpolitik der vergangenen Jahre – auf nationaler („Modell Gießkanne“), wie auch europäischer Ebene. Der Staat müsse zurückfahren und sich auf eine „Uraufgabe“ besinnen: die Unterstützung der Schwächsten im Lande. „Wir als Unternehmen bekommen zu viele Förderungen“, reflektiert der Firmeneigentümer die eigene Zunft. Zugleich sei auch er diesbezüglich in Ambivalenz gefangen: „Du musst die Förderungen abholen, weil du ja sonst direkt einen Wettbewerbsnachteil hast“.
60 Prozent Österreich statt 60 Prozent Ausland
Bei der großen Frage nach der prinzipiellen Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft, wählt Zotter dann den von ihm so geliebten, nämlich unorthodoxen, Befund. „Es geht heute um De-Globalisierung“, sagt der 63-Jährige. Und ergänzt rasch: „Wir müssen uns auf Europa konzentrieren und europäisch denken“. Im eigenen Geschäft hätte sich dieses Denken auch betriebswirtschaftlich bereits in Zügen abgebildet. Erzielte der oststeirische Schokoladenhersteller vor zehn Jahren noch 60 Prozent der Umsätze im Ausland, kommt heute eben jener Erlösanteil aus Österreich. „Darüber hinaus setzen wir 30 Prozent in Deutschland um“, sagt Zotter und spricht erfreut über jene Entwicklung, die zugleich „weniger Logistikkosten“ bedeutet.
Überhaupt ist es dem Steirer an diesem Tag ein Anliegen, die eine, schöne Seite der Medaille zu betonen. Das halbvolle Glas, nicht das halbleere. „Stimmt es wirklich, wenn wir sagen, dass es uns so schlecht geht?“, fragt Zotter die Runde, um dann schnell selbst eine Antwort zu geben. „Uns ist es in den letzten Jahrzehnten doch noch nie so gut gegangen“, sagt er und beschwört ein Mehr an „Selbstvertrauen und Selbstverantwortung“.
Wohin sich die Schokoladenlandschaft selbst grosso modo entwickelt? Josef Zotter sieht ein „neues Ernährungsbewusstsein aufziehen“ und ortet einen Trend hin zu Zuckeralternativen in der Herstellung. Zugleich sinke auch der Bedarf nach alkoholischen Schokoladen. In der Riegersburger Produktion wird dem insofern Rechnung getragen, als man Kakaobohnen beispielsweise mit Rum mariniert, den Geschmack also gewissermaßen festigt, und erst danach per Röstung den Alkohol entfernt.
500 verschiedene Schokoladen
„Insektenschokolade musste ich auch probieren. Alleine schon aus Ernährungssicht und wegen der interessanten Proteine“, sagt der Chocolatier schmunzelnd. Und selbst wenn „der Markt vielleicht Nein sagt zu Mehlwürmerschokolade“, glaubt Zotter, Herr über 500 verschiedene Schokoladensorten, an die vielseitige Kraft von derlei Innovationen. „Das interessiert die Leute einfach“.
Womit wir schlussendlich bei Josef Zotters Leidenschaft gelandet sind: der Produktentwicklung. „Da bin ich nicht teamfähig“, sagt er und lacht laut auf. Vertraue er sonst vollends auf die Fähigkeiten seiner drei, mittlerweile ebenfalls im Familienunternehmen angedockten, Kinder, habe er versucht, dieses Dogma sehr bewusst und intensiv weiterzugeben: „Wenn Zotter draufsteht, muss Zotter drinstecken“.