Im Jahr 2021 gab Arbeitsminister Martin Kocher die Parole aus: „Homeoffice ist gekommen um zu bleiben, und wird uns auch nach der Pandemie im Arbeitsleben weiter begleiten.“ War Homeoffice vor der Pandemie für die meisten noch ein Fremdwort, war es danach für weite Teile der arbeitenden Bevölkerung Arbeitsnormalität. Seither reißt die Diskussion über Fluch oder Segen flexibler Arbeitsmodelle nicht ab.

Beharrlich werden Produktivität und Karrierechancen ohne permanente Präsenz im Unternehmen infrage gestellt. Mittlerweile zeichnet sich eine Bewegung zurück ins Büro, auch „Return to Office“ (RTO) genannt, ab.  In Deutschland waren es zuletzt Großkonzerne wie SAP, Volkswagen oder Deutsche Bank, die ihren Mitarbeitern mehr Anwesenheit im Büro verordneten. Aus den USA kommt gerade die Nachricht, dass Amazon von seinen Angestellten ab 2025 fordert, wieder fünf Tage pro Woche in der Firma zu arbeiten – das soll die Arbeit effizienter machen und Teams zusammenschweißen. Aktuell gesteht der Online-Händler seinen Mitarbeitern grundsätzlich zwei Tage pro Woche im Homeoffice zu. Nur in Ausnahmefällen soll es möglich sein, manchmal von Zuhause aus zu arbeiten, etwa wenn ein Kind krank sei oder man sich auf eine Arbeitsaufgabe konzentrieren wolle, heißt es seitens des Konzerns.

Es geht auch anders

Beim deutschen Ifo-Institut warnt man indes davor, von einzelnen prominenten Unternehmen, in denen Homeoffice zurückgefahren wird, auf die Gesamtsituation zu schließen. Nur vier Prozent der deutschen Firmen würden die Arbeit von Zuhause aus abschaffen wollen – zwölf Prozent planen strengere Vorgaben und drei von vier Betrieben, in denen Homeoffice möglich ist, würden es unverändert beibehalten wollen.

„Es ist unbestritten, dass Präsenzarbeit dem Homeoffice in manchen Aspekten überlegen ist“, erklärt Ifo-Experte Jean-Victor Alipour. Strengere Regeln durch eine stärkere Koordinierung von gemeinsamen Präsenzzeiten könnten das Homeoffice insgesamt produktiver gestalten. Die Uhren ließen sich jedenfalls nicht auf 2019 zurückdrehen.

Gesunder Menschenverstand

Ähnlich die Einschätzung des Unternehmensberaters Jürgen Götzenauer: „Remote-Arbeit kann in vielen Bereichen durchaus Sinn machen, und hybride Arbeitsmodelle bieten eine Flexibilität, die für viele Menschen essenziell ist. Gleichzeitig gibt es zahlreiche Situationen, in denen die physische Anwesenheit einen großen Vorteil darstellt und das Zwischenmenschliche eine entscheidende Rolle spielt. Der direkte Austausch fördert Kreativität, stärkt den Teamzusammenhalt und erleichtert spontane Problemlösungen – Aspekte, die virtuell oft schwerer zu erreichen sind.“ Wichtiger Zusatz: Die Entscheidung, ob im Büro, hybrid oder vollständig remote gearbeitet wird, sollte wie bei jedem anderen Werkzeug getroffen werden: mit gesundem Menschenverstand und ohne Ideologie.“

Unternehmensberate Jürgen Götzenauer
Unternehmensberate Jürgen Götzenauer © Oliver Wolf

Dass bei einer solchen Entscheidung nie nur der Kopf allein den Ausschlag gibt, gibt man in Unternehmen wie der Wirtschaftsprüfungskanzlei Rabel&Partner/Deloitte, wo man, wie es heißt, „New Work“ seit einigen Jahren erfolgreich lebt, unumwunden zu. „Remote work und Homeoffice basieren auf Vertrauen“, sagt Peter Kofler als einer der Partner. Im Nahrungsergänzungsmittel-Bereich ist die Firma Promedico mit ihrem neuen Hauptquartier in Graz ein Paradebeispiel dafür, dass „New Work“ weniger Einzelarbeitsplätze, dafür mehr Begegnungszonen für die Mitarbeiter nötig macht. Geschäftsführer Reinhard Wagner sagt: „Bei der Entscheidung für Mobile Office muss man schon eine Hürde nehmen, es braucht Vertrauen.“

Großangelegte Studie

Eine heuer im Jänner veröffentlichte Studie der Universität Pittsburgh, in der die Auswirkungen der Wiedereinführung der Büropflicht in 137 Unternehmen des US-Aktienindex S&P 500 analysiert wurden, bestätigt diese Bekenntnisse: Die Untersuchungen haben gezeigt, dass es den Führungskräften mit den Rückholaktionen gar nicht so sehr darum ging, die Leistung zu steigern, als vielmehr die Kontrolle über die Mitarbeiter wiederzuerlangen – und die Schuld für schlechte Firmenergebnisse auf die Belegschaft im Homeoffice abschieben zu können. Insgesamt wurden für die Analyse Daten von 457 Unternehmen mit 4455 Quartals-Beobachtungen zwischen Juni 2019 und Jänner 2023 erfasst.

Die RTO-Vorgaben haben laut Studienautoren zu einer Verschlechterung der Mitarbeiterzufriedenheit geführt und keine Auswirkung auf den Geschäftserfolg gehabt.

Jürgen Götzenauer sagt zu dem Thema, das offenbar nicht emotionslos diskutiert werden kann: „Aus meiner Erfahrung sollte man bei jedem gehypten Thema grundsätzlich vorsichtig sein. Schon Paracelsus sagte treffend: Die Dosis macht das Gift. Die extremen Pendelbewegungen, wie sie aktuell bei Homeoffice und RTO zu beobachten sind, sind nicht unüblich und oft Teil eines natürlichen Einschwingvorgangs.“