Es ist ein deutliches Ausrufezeichen und ein klares Signal: Fed-Chef Jerome Powell leitet wie erwartet die Zinswende in den USA ein. Die US-Notenbank Federal Reserve reagiert auf die abflauende Inflation und senkt zum ersten Mal seit mehr als vier Jahren ihren Leitzins. Die Fed verringerte den Zinssatz am Mittwoch um 0,5 Prozentpunkte auf die Spanne von 4,75 bis 5,00 Prozent. Zu diesem Satz können sich Geschäftsbanken Zentralbankgeld leihen. Es handelt sich um einen ungewöhnlich großen Zinsschritt – die Notenbank signalisiert außerdem weitere Zinssenkungen in diesem Jahr.
Der Kurswechsel hin zu einer lockereren Geldpolitik an sich war erwartet worden - offen war aber, ob die Notenbank der größten Volkswirtschaft der Welt sich für diesen großen Zinssprung entscheiden würde – oder den vorsichtigeren Weg wählt und die Zinsen nur um 0,25 Prozentpunkte senkt.
Die Fed folgt mit ihrer Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese hat bereits zwei Mal in diesem Jahr den Leitzins um jeweils 0,25 Prozentpunkte reduziert. In der Vergangenheit war es meist umgekehrt und die EZB ist der Fed gefolgt.
Schwächeanzeichen am US-Jobmarkt
14 Monate lang hielt die US-Notenbank an dem Zinssatz zwischen 5,25 und 5,5 Prozent fest. Zuvor hatte sie im Kampf gegen die hohe Inflation die Leitzinsen rasch angehoben. Eine Zinssenkung galt bereits als ausgemachte Sache. Während die Inflation gesunken ist, zeigt der US-Arbeitsmarkt zunehmend Anzeichen von Schwäche. Der Beschäftigungsaufbau hat sich im Vergleich zum Jahresbeginn deutlich verlangsamt.
Zentralbank-Chef Powell hatte auf der Notenbankkonferenz in Jackson Hole eine Leitzinssenkung im September in Aussicht gestellt. Die geldpolitische Richtung sei klar, allerdings seien die Höhe und die Abfolge weiterer Zinsschritte nicht festgelegt. Diese hingen unter anderem von der Entwicklung der Konjunkturdaten ab, sagte Powell.
Die neue Wirtschaftsprognose der Fed deutet nun darauf hin, dass die Zentralbank in diesem Jahr die Zinsen noch weiter senken dürfte. Die Entscheider der Fed rechnen für dieses Jahr im Mittel mit einem Leitzins von 4,4 Prozent (Juni: 5,1 Prozent). Für das kommende Jahr geht die Fed im Mittel von einem Leitzins von 3,4 Prozent aus (Juni: 4,1 Prozent.) Die Notenbank hat auch neue Prognosen für die Teuerungsrate veröffentlicht. In diesem Jahr geht die Fed einer niedrigeren Teuerungsrate als im Juni prognostiziert aus - sie soll durchschnittlich bei 2,3 Prozent (Juni: 2,6 Prozent) liegen. Für das kommende Jahr rechnen die Notenbanker mit durchschnittlich 2,1 Prozent (Juni: 2,3 Prozent). Die US-Notenbank strebt auf mittlere Sicht eine Inflationsrate von 2 Prozent an.
Druck vor nahender Präsidentenwahl
Die Fed-Entscheidung kommt wenige Wochen vor der Präsidentenwahl am 5. November. Die rasante Teuerung, die durch den Anstieg der Energiepreise nach dem russischen Angriff auf die Ukraine und die Folgen der Corona-Pandemie ausgelöst wurde, hat die Präsidentschaft von US-Präsident Joe Biden belastet. Viele Alltagsprodukte sind teurer als während der Amtszeit von Donald Trump.
Der Republikaner, ein scharfer Kritiker von Fed-Chef Jerome Powell, hatte bereits versucht, die Zinsentscheidungen zu politisieren. So behauptete er, die Fed dürfe die Zinsen nicht vor der Wahl im November senken, weil dies die Stimmung zugunsten der aktuellen Regierung des demokratischen Präsidenten Biden verbessern würde. Trump tritt bei der Wahl gegen US-Vize Kamala Harris an.
Zuletzt war der Druck aus der Wirtschaft auf Powell gewachsen, an der Zinsschraube zu drehen. Ein Argument dafür ist der sich abkühlende Arbeitsmarkt. Gegner einer lockeren Geldpolitik sagen hingegen, Zinssenkungen seien angesichts einer robusten US-Wirtschaft zurzeit noch nicht notwendig.
Die Notenbank veröffentlichte nun auch ihre neue Konjunkturprognose für die USA. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der weltgrößten Volkswirtschaft wird demnach 2024 um 2 Prozent wachsen (Juni: 2,1 Prozent). Für das kommende Jahr sagt die Fed ein Wachstum um ebenfalls 2 Prozent voraus, derselbe Wert wie bereits im Juni prognostiziert.