Im Tauziehen um das geplante Erneuerbares-Gas-Gesetz zwischen der schwarz-grünen Regierung und der SPÖ hat die Industrie abermals vor einer drohenden Kostenlawine gewarnt. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer sprach am Dienstag vor Medien von einem „milliardenschweren Kostenrucksack“, der der Industrie zusätzlich umgehängt werde. Die Verhandlungen zwischen der Regierung und der SPÖ laufen unterdessen weiter.
Bis 2030 rechnet die Industriellenvereinigung (IV) durch das sogenannte Grüngasgesetz (EGG) mit einer finanziellen Gesamtbelastung von 2,5 bis 2,8 Milliarden Euro, die zum überwiegenden Teil von Unternehmen getragen werden würde. Ein Industriekunde mit einem Jahresverbrauch von 2 Terawattstunden, das entspreche etwa dem Verbrauch eines großen, energieintensiven Unternehmens mit mehreren Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, müsste demnach bis 2030 mit mehr als 60 Millionen Euro Zusatzkosten rechnen.
Kommt der Beschluss noch vor der Wahl?
Von Seiten der SPÖ hieß es Dienstagfrüh auf APA-Anfrage, man sei weiterhin mit der Regierung in konstruktiven Gesprächen. Die Forderungen nach einer sozial verträglichen Umsetzung lägen nach wie vor am Tisch. Die SPÖ will, dass etwaige Mehrkosten nicht auf die Endverbraucher abgewälzt werden und sichergestellt ist, dass Lebens- und Nahrungsmittel nicht zur Biogaserzeugung dienen. Auch die Grünen verwiesen auf laufende Gespräche, mit der SPÖ habe man sich darauf geeinigt, inhaltlich nichts nach außen dringen zu lassen.
Mit dem Grüngasgesetz sollen Gasversorger verpflichtet werden, fossiles Erdgas schrittweise und nach festgelegten Quoten durch Biogas zu ersetzen. Dies soll neben den CO2-Emissionen auch die Abhängigkeit von russischem Erdgas verringern. Dazu benötigt die Regierung eine Zwei-Drittel-Mehrheit, ÖVP und Grüne sind also auf die Stimmen der SPÖ angewiesen.
Voestalpine und Papierindustrie warnen vor Gesetz
Voestalpine-Vorstandschef Herbert Eibensteiner warnte bei dem IV-Medientermin vor einem Anstieg der Gaspreise durch das EGG, der dann auch wieder inflationstreibend wirken werde. „In Wahrheit tritt man mit so einem Gesetz die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich mit Füßen und treibt künstlich die Inflation“, so der Voest-Chef.
Der Stahlkonzern rechnet bis 2030 mit Mehrkosten von 1 Milliarde Euro, die Hälfte davon sei auf das EGG zurückzuführen, der Rest auf höhere Gas- und Strompreise und die allgemeine Inflation. Ab 2030 würden sich die Zusatzkosten auf 150 Mio. Euro pro Jahr belaufen. „Um diese Kosten zu kompensieren müssten wir dann 2.000 Arbeitsplätze einsparen“, sagte Eibensteiner. Die voestalpine investiert Milliarden in die Dekarbonisierung ihrer Produktion, sie zählt neben der Wien Energie und der OMV zu den größten Treibhausgas-Emittenten des Landes.
Auch die Papierindustrie rechnet durch das EGG mit Mehrkosten, so sollen die Energiekosten um mindestens 30 Prozent höher ausfallen. „Wenn das Erneuerbare-Gas-Gesetz in der vorliegenden Form kommt, wird es eine Millionenbelastung für die Papierindustrie“, so Kurt Maier von der Heinzel-Gruppe und Präsident der IV Steiermark.
„Gänzlich unverständlich“
Bei der Kritik der Industrie gehe es „nicht grundsätzlich darum, dass wir Gesetzesvorhaben in diesem Rahmen ablehnen“, sagte Neumayer, das Problem sei die Ausgestaltung des Grüngasgesetzes. Schützenhilfe bekam die IV von der FPÖ Oberösterreich: „Es ist mir gänzlich unverständlich, warum sich die ÖVP und Karl Nehammer hier nicht eindeutig und unmissverständlich zur heimischen Wirtschaft, zum Wirtschaftsstandort Österreich und zu unserer Industrie bekennen und diesem Gesetz eine klare Absage erteilen“, sagte Oberösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter, Manfred Haimbucher.
Der Kompost und Biogas Verband Österreich warf der IV und der Wirtschaftskammer (WKÖ) in einer Aussendung am Dienstag vor, „ein paar weitere Jahre verzögern und an den bisherigen Erdgasbezugsquellen festhalten“ zu wollen. Der Verband kritisierte außerdem, dass das Grüngasgesetz nicht auf der Tagesordnung für die letzte Nationalratssitzung steht und somit nicht darüber abgestimmt werden könne. Mit einer Sondersitzung des Nationalrats bestünde grundsätzlich aber die Möglichkeit, das Grüngasgesetz doch noch zu beschließen.
„Nicht nachvollziehbarer Alarmismus“
Als „nicht nachvollziehbaren Alarmismus“ kritisiert unterdessen der „Dachverband Erneuerbare Energie Österreich (EEÖ) die von der IV vorgestellten Zahlen. „Selbst wenn 2030, laut Gesetzesvorschlag, die maximale Grüngasquote erreicht sei, liege die Mehrbelastung bei maximal 250 Millionen Euro, und auch das nur, wenn Gas- und Zertifikatspreise auf dem heutigen Niveau blieben“, so der Verband. „Österreich braucht eine Politik, die langfristig eine stabile, resiliente und klimaneutrale Energieversorgung sichert. Österreichs immer noch hohe Energieabhängigkeit von kriegsführenden und fragwürdigen Regimen bietet das nicht“, sagt EEÖ-Geschäftsführerin Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin. „Statt Alarmismus würde ich mir von der IV konkrete Vorschläge erwarten, wie wir gemeinsam das österreichische Energiesystem zukunftsfit machen können.“
Auch die Umweltschutzorganisation Global 2000 warf der IV in einer Aussendung vor, „den Kopf in den Sand“ zu stecken. Die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen sei weiterhin zu hoch, es seien dringend Maßnahmen notwendig, „um auf heimische erneuerbare Energieträger umzustellen“.