Der Grazer Jakominiplatz vor genau 100 Jahren: Die erste Tankstelle wird entlang der Route Triest-Wien in Graz eröffnet, dort, wo sich heute Öffis im Minutentakt tummeln.
Es war die Initialzündung, die individuelle Mobilität und Wirtschaft ins Rollen brachte – von der jahrzehntelangen Euphorie ist freilich aktuell nicht mehr viel übrig. Die großen Konzerne ziehen sich aus dem margenschwachen Geschäft zurück, private Unternehmen übernehmen. Und die Zukunft als E-Mobilitäts-Ladestation ist vage, weil die Energieanbieter keine Anstalten machen, ein absolut flächendeckendes Netz für die E-Mobilität auch an Tankstellen aufzubauen. Lebensmittelshops und Lotto, aber nicht die E-Mobilität sind die Zukunft
Zeitzeuge an der Tankstelle: Ein feines Buch
Wie vor 100 Jahren wurde jetzt als Zeitzeuge eine „Denkmal-Zapfsäule“ am Grazer Jakominiplatz errichtet, um an das Erstlingswerk vor 100 Jahren zu erinnern. Ein kleines feines Büchlein (“Mythos Tankstelle, Notizen zu einer Institution in Vergangenheit und Gegenwart“, erschienen im Styria-Verlag) ist Zeuge einer längst vergessenen Zeit.
Helmut Eberhart (Universität Graz), Barbara Eibinger-Miedl (Wirtschaftslandesrätin), Jürgen Roth (Bundesobmann Energiehandel) sowie Harald Pfleger (Tankstellen-Obmann) und Oliver Käfer (Fachgruppen-Geschäftsführer) enthüllten die Zapfsäule, die temporär am Jakominiplatz verbleibt.
Fragezeichen hinter der Zukunft der Tankstelle
Roth fragt sich: „Was wäre mit dem Wirtschaftsstandort Graz passiert, wenn es keine Tankstellen gegeben hätte? Heute bekommt die Tankstelle nicht den Stellenwert den sie verdient hätte.“ Eine Tankstelle, darüber sind sich alle einig, ist genauso Kommunikationszentrum wie Begegnungsstätte.
2800 Tankstellen zählt man heute in Österreich. Pfleger sagt offen: „Heute sind wir Brotbäcker und Postzusteller und Lottospielstation. Einige haben aber auf Tankautomaten umgestellt, weil es in gewissen Regionen wirtschaftlich nicht mehr vertretbar ist, Mitarbeiter zu haben.“
Benzin im Plus, Diesel verliert an der Tankstelle
Für Roth ist die Marge das Problem, dass sich Tankstellenbetreiber und Namensgeber diese teilen müssen. Die Marge liege im Schnitt bei drei Prozent, in Italien sei die Tankstellen-Dichte nur halb so hoch. Nur die Benzin-Absätze steigen im Moment in Österreich, die Dieselverkäufe schmolzen um sechs bis sieben Prozentpunkte, weil die Wirtschaft im Moment mit einer Rezession kämpft.
Roth gibt sich trotzdem kämpferisch: „Die 100-jährige Geschichte ist nicht zu Ende. Es wird weiter Tankstellen geben, vielleicht in einer anderen Art. Aber für die individuelle Mobilität braucht man sie.“ Mit Tankstellen-Neubauten rechnet er nicht mehr, die Auflagen seien zu umfangreich, man müsse mit drei bis vier Millionen Euro an Kosten rechnen.“
E-Mobilität nicht geplant
Und vom verpflichtenden Aufbau von Elektro-Ladesäulen wie in Deutschland vorgesehen – Tankstellen müssen dort ab einer bestimmten Größe Ladesäulen installieren – ist man in Österreich noch weit entfernt. Was für die E-Mobilität und die Tankstellen ein weiteres Problem darstellt. Denn ohne massentaugliches Ladesystem für alle, die nicht in der Arbeit oder zu Hause laden können, wird die E-Mobilität nicht funktionieren.
Roth stellt fest: „Das Problem ist die Anschlussleistung. Um als Tankstellenbesitzer das Ganze selbst aufzubauen, dafür fehlt die Nachfrage bei der E-Mobilität.“ Das lohnt sich nicht – auch hier müssten die großen Energieanbieter in Vorleistung gehen.