Man kennt das: Bevor man überhaupt bei Kästen, Betten und Sofas angekommen ist, weht einem der Geruch von Schnitzel und Pommes entgegen. Eine Mahlzeit im Möbelhaus gehört für viele zum Shoppen dazu. Manche gehen überhaupt nur gut möbliert essen - ganz ohne Möbelkauf.
Der Appetit der Österreicher auf Handelsgastronomie, wie es im Fachjargon heißt, nimmt zu. Jeder Zweite speist mehrmals pro Jahr in Restaurants von Einzelhändlern wie Kika, Ikea, Interspar oder Billa (“Marktküche“). „Jeder Dritte isst mindestens einmal im Monat in einem Handelsgeschäft. Jeder Zehnte wöchentlich“, weiß Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands. Er geht so weit zu sagen: „Die Österreicher lieben die Restaurants der Händler.“ Es gibt sogar Stammtisch- und Frühstücksrunden.
Überwiegend wird Mittag gegessen. Pro Mahlzeit werden (samt Getränken) durchschnittlich 33 Euro ausgegeben. Am beliebtesten sind Klassiker wie Schnitzel (etwa das XXXL-Schnitzel bei Lutz um derzeit 12,90 Euro), Fleischlaberl bzw. Köttbullar (bei Ikea um derzeit 6,99 Euro), italienische und asiatische Gerichte, Salate und Burger. „Vegane bzw. vegetarische Menüs sind im Vormarsch“, sagt Michaela Kaspar, stellvertretende Geschäftsführerin von Interspar. Die Handelskette hat sich mit 51 Restaurants, 29 Cafés und täglich 35.000 Gästen zu Österreichs zweitgrößtem Systemgastronomen hinter McDonald‘s emporgekocht. Einkaufen macht hungrig.
„Wir betreiben in Österreich 47 XXXLutz-Restaurants und 16 Mömax-Restaurants. Sie sind ein nicht wegzudenkender Faktor. Eingerichtet wurden sie 1996, um lange Möbelhausbesuche angenehm zu machen. Mittlerweile sind sie etabliert, gelten als vollständige Restaurants und haben viele Stammgäste, weswegen wir das Angebot variantenreich gestalten: zuletzt mit unseren Steakwochen. Überhaupt wird das Angebot immer wertiger“, sagt XXXLutz-Sprecher Thomas Saliger. Ein Wettbewerbsvorteil sind auch die Parkplätze.
Ikea betreibt in Österreich acht Restaurants - eines in jedem Einrichtungshaus. Im mit August abgelaufenen Geschäftsjahr wurden sie von 1,5 Millionen Gästen frequentiert. „Geboten werden erschwingliche, hochwertige Mahlzeiten, die mit unseren Nachhaltigkeitszielen übereinstimmen. Die Restaurants sind ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie“, sagt Kit Wai Kan, Food-Manager bei Ikea Österreich. Ikea gilt als Pionier dieser „Einrichtung“: Schon der erste Ikea, eröffnet 1958 im schwedischen Älmhult, hatte eine kleine Kaffee-Ecke, die 1960 in ein Restaurant namens Ikea Baren – Ikea Bar - umgewandelt wurde. Laut Kit Wai Kan wird das Angebot an Gerichten und Lebensmitteln auf pflanzlicher Basis immer größer. „Und wir haben die Entscheidung getroffen, dass die pflanzliche Option immer kostengünstiger ist. Unser Ziel ist, nächstes Jahr bei den in unseren Restaurants angebotenen Hauptgerichten einen pflanzlichen Anteil von 50 Prozent zu erreichen.“
Die Handelsrestaurants sind gleichzeitig Frequenz- und Umsatzbringer. Sie dienen als Profilierungs- und Kompetenzinstrument und erhöhen die Verweildauer der Kunden. Kaspar sagt: „Wir punkten auch als sozialer Treffpunkt.“ Will ergänzt: „Außerdem bieten Gastro-Angebote im Geschäft den Kunden etwas an, das sie nur vor Ort und nicht im Online-Handel erleben können.“ Wie ein Dorfgasthaus zwischen Schlafzimmer-Einrichtung und Küchenblock.
In Deutschland haben die Händler mit ihrem Gastronomieumsatz 2023 gegenüber 2022 ein Umsatzwachstum von fast 16 Prozent hingelegt - auf knapp zwölf Milliarden Euro. In Österreich fehlen solche Zahlen, aber auch hierzulande ist Handelsgastronomie ein wachsender Markt.