Die Elektro-Mobilität kriselt, bevor sie so richtig in Schwung kommen konnte. Die Zahlen in Europa klingen bedrohlich, in der Industrie herrscht Alarmstimmung. Zulieferer wie Hersteller kämpfen mit Überkapazitäten. Und die E-Auto-Verkaufszahlen sinken in vielen Ländern. Die Politik agiert erratisch. Die Branche fragt sich: Wie kann man die E-Mobilität retten und ihre Zukunft sichern?
Nur ein paar Beispiele: Im Schnitt waren die deutschen Werke von Volkswagen, BMW, Mercedes & Co. 2023 nur zu etwas mehr als zwei Dritteln ausgelastet, so der Datenspezialist Marklines. 6,2 Millionen Autos pro Jahr könnten alle Standorte zusammen liefern. Geschafft wurden 2023 nur gut 4,1 Millionen.
Bei Volkswagen wurde die seit 1994 geltende Beschäftigungsgarantie vom Konzern aufgekündigt, Werke sollen geschlossen werden. Fiat stoppte kurzfristig die Produktion seines elektrischen 500ers.
Laut der Beratungsgesellschaft Horvath planen 60 Prozent der Zulieferer einen Stellenabbau (Quelle: APA).
E-Mobilität: 20 Prozent Arbeitsplätze weniger
Die TU Graz hat in einer Studie nachgewiesen, dass der Wandel zur E-Mobilität den Verlust von 20 Prozent der Arbeitsplätze bis 2040 bringen könnte. Insgesamt könnte das Autoland Steiermark zum Beispiel bis zu einer Milliarde Euro an Wertschöpfung verlieren. Neben der aktuellen Kaufzurückhaltung in vielen europäischen Ländern ist es auch die neue Technik, die Arbeitsplätze kostet: Ein Verbrenner-Antrieb besteht aus 1200 bis 1500 Komponenten, ein Elektro-Antrieb aus 300 bis 500.
Zukunft der E-Mobilität
Der Umbruch zur Elektro-Mobilität ist natürlich auch Thema der Wiener Elektrotage, die gerade über die Bühne gehen. Neben einer Nabelschau der Modelle am Wiener Heldenplatz treffen sich führende Köpfe aus der Automobilbranche zum Austausch. Kernfrage: Wie bringt man die E-Mobilität, der die Zukunft gehört, weiter?
Hans Dieter Pötsch gehört zum Beispiel zu den einflussreichsten Managern der
Branche. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Volkswagen AG, Vorstandsvorsitzender der Porsche SE und Aufsichtsratsvorsitzender der Porsche Holding hat sein Wort besonderes Gewicht. „Die Politik hat Vorgaben gemacht ohne die Infrastruktur
aufzubauen“, schlägt er einen harten Ton an. Und: „Die CO2-Ziele bis 2035 müssen angepasst werden. Die EU hatte keinen Masterplan für die E-Mobilität und die Politik führt Debatten, die die Menschen verunsichern. Die neue EU-Kommission muss die Voraussetzungen für die E-Mobilität schaffen. Protektionismus wird uns nicht helfen“, so Pötsch, der damit auf die Strafzölle gegen chinesische E-Autos anspielt.
Luca de Meo und die Fakten der Krise
Luca de Meo, der bereits in den Konzernen Fiat/Alfa/Lancia und Volkswagen
Chefpositionen besetzte und jetzt CEO von Renault ist, unterstreicht die Argumentation. In Europa seien sieben Prozent der Arbeitsplätze von der Autoindustrie abhängig, acht Prozent des Bruttosozialprodukts, und 30 Prozent
der Forschungsausgaben. Die Industrie ist zu groß, als dass man sie fallen
lassen könnte.
30 Prozent der Autos weltweit würden heute aber in China verkauft, die Entwicklungszeit von neuen E-Autos haben die Chinesen von vier, fünf Jahren, wie in Europa, auf zwei Jahre gedrückt. Der Kostenvorteil beträgt hier 25 Prozent gegenüber Europa.
30 Prozent der Autos weltweit würden heute in China verkauft, die Entwicklungszeit von neuen E-Autos haben die Chinesen von vier, fünf Jahren, wie in Europa, auf zwei Jahre gedrückt. Der Kostenvorteil beträgt hier 25 Prozent gegenüber Europa.
Die chinesischen Marken haben fast die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Rohstoffe an sich gebunden. Dazu ist die Kaufkraft der europäischen Kunden erheblich gesunken (z. B. 25 Prozent geringer als bei einem US-Kunden) und im Vergleich sind E-Autos immer noch im Schnitt um 50 Prozent teurer als Verbrenner-Fahrzeuge.
Fatale Rahmenbedingungen für die Auto-Industrie
Die europäische Autoindustrie ächzt laut de Meo unter den Rahmenbedingungen: Die Energiekosten seien doppelt so hoch wie in den USA und dreimal so hoch wie in China, die Arbeitskosten seien 40 Prozent höher als in China, und sowohl China als auch die USA subventionieren mit wesentlich höherem finanziellen Einsatz.
Was de Meo nicht sagte: Die Rahmenbedingungen für die E-Mobilität
stimmen bis heute nicht in Europa. Nach wie vor haben wir kein transparentes
Preisausschilderungssystem bei den Ladestationen. Eine Vielzahl an Ladekarten
und Tarifen, sowie ein Versagen der Politik bei der Aufbereitung einer
städtischen Ladeinfrastruktur für die breite Masse, die nicht zu Hause oder im
Job laden kann, machen den Weg zur E-Mobilität nicht einfacher.
Trotzdem erklärt de Meo: „Es gibt keinen Weg zurück von der E-Mobilität.“
Ein E-Auto für vier Verbrenner
Die Vorgaben (Cafe-Regulativ genannt), die ab 2025 von der EU eingefordert werden, könnten die europäische Autoindustrie in eine fatale Situation führen.
Vereinfacht erklärt: Ein Hersteller muss ein E-Auto verkaufen, um sich den
Verkauf von vier Verbrennern zu leisten. Schafft man das nicht, verfehlt man
die CO2-Ziele der EU und es drohen Milliardenstrafen. Hersteller und
Händler, denen vorgeworfen wird, dass sie keine E-Autos unters Volk bringen
wollen, sind gezwungen E-Autos zu verkaufen. Auch das muss einmal betont werden.
Übrigens: 2023 lag der Anteil der in der EU neu zugelassenen PKW bei 14,6 Prozent (Quelle: Statistisches Bundesamt Deutschland). Ohne Verbesserung der Rahmenbedingungen und einen klaren politischen Kurs wird es die E-Mobilität weiter schwer haben – auch darüber sind sich die Experten einig.
De Meo sagt klar, was helfen könnte: Das Cafe-Regulativ müsse man entschärfen, klare Anreize für die Kunden setzen (Stützungen etc.), das Ladenetzwerk müsse bis 2030 um den Faktor sieben ausgebaut werden, die Energiekosten sollten sinken, und Partnerschaften unter den europäischen Konzernen geschaffen werden.