Der Gebrauchtautomarkt macht es seit Jahrzehnten vor: Gebrauchtes muss nicht alt und Gebrauchtes kann sehr gut sein. Mit der Teuerung, dem Klimaschutz-Gedanken und dem Zeitgeist ist der Kauf aus zweiter Hand auch für andere Konsumgüter schick geworden: für Elektroartikel, Mode, Bücher, Spielsachen, Bohrmaschinen, Fahrräder.

In Österreich hat der Second-Hand-Markt ein Marktvolumen von zwei Milliarden Euro im Jahr erreicht. „Fast jeder zweite kauft mehrmals im Jahr Secondhand-Waren. Drei Viertel der Österreicher haben schon einmal etwas Gebrauchtes gekauft. Im Durchschnitt geben die Konsumenten 195 Euro jährlich aus“, zitiert der Geschäftsführer des Handelsverbandes, Rainer Will, aus einer aktuellen Umfrage.

Flohmärkte feiern ein Revival. Secondhand- und Vintage-Shops sprießen. Die Carla-Läden der Caritas waren dem Trend voraus. Gegründet vor 40 Jahren, hat Carla mittlerweile ein Filialnetz in ganz Österreich, davon 33 in der Steiermark und drei in Kärnten. „Es kommen immer mehr junge Leute. Viele kommen aus ökologischen Gründen, wollen gebrauchten Dingen in anderem Kontext ein zweites Leben zu geben. Bei der Kleidung hebt sich der Unterschied zwischen Männern und Frauen zunehmend auf“, sagt der für Sachspenden und Logistik der Caritas Wien zuständige Oliver Türkoglu. Auch der Verein Humana expandiert mit seinen Secondhand-Kleider-Shops. In Wien gibt es bereits 18, in Graz drei und weitere drei in Salzburg - mitten in der Innenstadt rund um Schloss Mirabell. Türkoglu sagt: „Die skandinavischen Länder haben es vorgezeigt. Dort sind viele Secondhand-Shops ganz selbstverständlich in den Einkaufsstraßen angesiedelt.“ Lydia Schiroky von Humana ergänzt: „Die Zielgruppe wird breiter.“

Oliver Türkoglu, Caritas Wien: „Zweites Leben in anderem Kontext“
Oliver Türkoglu, Caritas Wien: „Zweites Leben in anderem Kontext“ © Caritas

Umsatztreiber und Trendverstärker sind Online-Marktplätze. 60 Prozent der Gebrauchtwaren-Käufer nutzen diese Plattformen. Willhaben hält aktuell bei 3,6 Millionen Nutzern, wovon zwei Millionen die App aufs Handy geladen haben. Die Seitenaufrufe sind bereits jenseits einer Milliarde.

Das Stigma „Wer gebrauchte Kleidung kauft, ist arm“ gilt schon lange nicht mehr. Jetzt sind Händler wie die Plattform Vinted mit getragenen Klamotten im Aufwind. Die 2008 in Litauen gegründete Plattform hat aktuell 100 Millionen Kunden weltweit. Auch globale Fashion-Konzerne wie H&M und Zalando (“Styles aus zweiter Hand“) mischen mit.

Der Online-Marktplatz Refurbed, der gebrauchte, aber generalüberholte Handys, Tablets, Notebooks - und mittlerweile sogar Saugroboter und Snowboards - verkauft, hat im Vorjahr die Umsatzmarke von einer Milliarde Euro seit der Gründung im Jahr 2017 geknackt.

Und dann wäre da noch der laut eigener Auskunft europäische Re-Commerce-Marktführer Momox, der einerseits gebrauchte Bücher und Videos verkauft, andererseits gebrauchte Kleidung. Im Vorjahr hat das Unternehmen aus Berlin den Jahresumsatz um 15 Prozent auf knapp 350 Millionen Euro gesteigert. Seit der Gründung 2004 hat Momox 400 Millionen gebrauchte Bücher, Medienartikel und Kleidung an- und weiterverkauft. Momox Fashion allein macht 56 Millionen Euro Umsatz. Fashion-Chefin Lenia Karallus gibt die Kundinnenzahl mit einer Million an. Das Sortiment von Momox Fashion umfasse im Schnitt 1,7 Millionen Kleidungsstücke.

Momox Fashion-Chefin Lenia Karallus: „1,7 Millionen Kleidungsstücke im Shop“
Momox Fashion-Chefin Lenia Karallus: „1,7 Millionen Kleidungsstücke im Shop“ © Momox

Die Herausforderung für die Anbieter: Secondhand ist ein Einzelstück-Geschäft. Der Zustand jedes Kleidungsstückes muss geprüft werden, jedes Teil einzeln fotografiert werden. Künstliche Intelligenz soll das Prozedere zukünftig effektiver gestalten.

Die Spielart der Neo-Ökologie wird sich laut Boston Consulting Group fortsetzen. Die Beratungsfirma geht davon aus, dass allein der Secondhand-Modemarkt in Industriestaaten innerhalb der nächsten fünf Jahre um bis zu 100 Prozent zulegt. Die Gründe: „Erschwingliche Preise, der Wunsch nach einzigartigen Stücken, ein großes Angebot und gestiegenes Umweltbewusstsein“, so Felix Krüger von Boston Consulting. Generell wächst der Secondhand-Markt stärker als der Einzelhandel insgesamt. Der Handel mit Secondhand wird sogar zur Konkurrenz für die Neuware. Gebrauchtes ist das „neue Neu“, wie es die Schweizer Plattform Ricardo nennt.

Die Caritas war Vorreiter: Ihre Carla-Shops gibt es seit 40 Jahren
Die Caritas war Vorreiter: Ihre Carla-Shops gibt es seit 40 Jahren © Hassler/KLZ

Die Konsumenten sind bereit. Sie wollen laut Consumer Check mehr Secondhand-Geschäfte und sie möchten auch mehr Gelegenheiten, selbst Gebrauchtes zurückgeben zu können, das sie nicht mehr brauchen oder das nicht mehr passt.