Im sogenannten „Müllkartellverfahren“ hat die Bundeswettbewerbsbehörde dem Entsorger Saubermacher einen Kronzeugenstatus eingeräumt. Weil das Unternehmen nach den Hausdurchsuchungen im Rahmen des Kronzeugenprogramms zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts mit der BWB kooperierte, habe man die Verhängung einer verminderten Geldbuße in Höhe von 7,085 Millionen Euro beantragt, teilte die BWB zu Wochenbeginn mit. Laut Behörde hat die Saubermacher Dienstleistungs AG zwischen Juli 2002 und März 2021 an kartellrechtswidrigen Preisabsprachen, Marktaufteilungen sowie dem Austausch von wettbewerbssensiblen Informationen teilgenommen. Saubermacher sprach von „rund 80 Einzelfällen“ in dem genannten Zeitraum, „die kartellrechtlich wie auch nach unserem Werte- und Ethiksystem nicht akzeptabel sind“. Man habe diese Fälle gemeinsam mit der BWB „identifiziert“, so das Unternehmen, das zugleich darauf hinweist, dass es zwischen 2002 und 2021 österreichweit insgesamt eine Million Aufträge abgewickelt habe.
BWB-Generaldirektorin Natalie Harsdorf kündigte bereits an: Das BWB-Team arbeite die sichergestellten Beweise sukzessiv auf „um die weiteren Verfahren zügig an das Kartellgericht zu bringen“, teilte sie mit.
„Es laufen jetzt ganz viele Ermittlungsstränge“
In der ZiB2 betonte Harsdorf am Montagabend zudem: „Es ist zu Absprachen im privaten und öffentlichen Bereich gekommen, die klar illegal waren.“ Eine Schadenshöhe könne sie nicht nennen, „die BWB muss hier in diesem Stadium keinen Schaden nachweisen, es aber ist klar illegal, was hier passiert ist“. Daher habe man mit Saubermacher ein zweites Unternehmen vor das Kartellgericht gebracht. Einen Kronzeugenstatus werde es nun für kein weiteres Unternehmen im Müllkartell mehr geben. „Es laufen jetzt ganz viele Ermittlungsstränge gegen weitere Unternehmen, den Status eines ersten oder zweiten Kronzeugen erhalten andere Unternehmen nicht mehr.“ Hier gebe es daher auch keine ermäßigten Geldbußen mehr – anders als Saubermacher, das eng mit der Behörde kooperiert hat.
Doch wie abschreckend sind Strafen, wie im Fall von Saubermacher sieben Millionen Euro, angesichts der Größe solcher Unternehmen? Harsdorf betont, dass man bei einer Kartellverfolgung „die Nadel im Heuhaufen“ suche. Es sei sehr schwierig, etwas aufzudecken und der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Harsdorf: „Wir sind auf diese Kronzeugen angewiesen.“ Für diese Zusammenarbeit müsse ein ausreichender Anreiz bestehen, um alles offenzulegen. „Ja, es gibt auch für große Player doch eine erhebliche Minderung, wenn sie als Kronzeuge zusammenarbeiten. In Anbetracht der Anzahl der Aufträge, wo wir nachweisen konnten, dass es zu Absprachen gekommen ist, ist es dennoch ein durchaus substanzielles Bußgeld.“
„Sanktionen bewegen sich sukzessive nach oben“
Das Kartellgericht könnte theoretisch Bußgelder von bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes gegen Unternehmen verhängen, fallen vor diesem Hintergrund die Strafen – wie etwa im Baukartell – nicht sehr gering aus? Insgesamt würden sich die „Sanktionen sukzessive nach oben bewegen“, so Harsdorf. Man orientiere sich an der Praxis der EU-Kommission, man schaue sich an, welche Bereiche tatsächlich betroffen sind. Bei den offenen Verfahren, werde man aber sehen, wie sich die Rechtsprechung bei den Geldbußen entwickle. Eine abschreckende Wirkung ergebe sich auch dadurch, dass womöglich zusätzlich Schadensersatz im Raum stehe.
Ihr Eindruck sei zudem, „dass in dem Moment, wo die BWB ermittelt und das Kartellgericht auch Sanktionen verhängt, in der Branche auch substanziell etwas ändert“. Das sei auch in der Baubranche der Fall, wo in Summe bereits rund 200 Millionen Euro an Bußgeldern verhängt worden seien, vieles sei auch noch im Laufen.
„Wenn man sich da Ergebnisse mit mehr Biss wünscht . . .“
Die jüngst vom Handelsverband an die BWB übermittelte Anzeige gegen den chinesischen Billig-Marktplatz Temu habe man erhalten. Welche Handhabe hat da die Wettbewerbsbehörde überhaupt? Man bewege sich hier, so die Vorwürfe zutreffen „im Bereich unlauterer Wettbewerb, also nicht in einem Kartellverfahren.“ Die BWB könne hier ein Abmahnschreiben schicken oder eine Unterlassungsklage bei einem Zivilgericht einbringen, „wir haben hier nicht die Instrumente, die wir sonst in einem Kartellverfahren haben“. Harsdorf: „Wenn man sich da Ergebnisse mit mehr Biss wünscht, dann muss man über strengere Rahmenbedingungen diskutieren.“