Die Währungshüter haben sich „die Türe für eine Zinssenkung im September offengehalten“ – mit diesem wiederkehrenden Befund wurde die Zinssitzung der Europäischen Zentralbank im Juli kommentiert. Damals hatte der EZB-Rat um Präsidentin Christine Lagarde die Leitzinsen bei 4,25 Prozent stabil gehalten. Zuvor, im Juni, wurde die sogenannte „Zinswende“ eingeleitet.
Zur Erinnerung: Zwischen März 2016 und Juli 2022 galt in der Euro-Zone die Nullzinspolitik. Als die Inflationsraten davongaloppierten, musste eine radikale Kurskorrektur vorgenommen werden. Innerhalb von 13 Monaten wurde der Leitzinssatz in einem historisch bisher beispiellosen Stakkato zehnmal in Folge auf 4,5 Prozent nach oben getrieben. Im September 2023 wurde schließlich auf die Pausetaste gedrückt – und im Juni dieses Jahres folgte schließlich die erste zarte Senkung um 0,25 Prozentpunkt. Der EZB-Rat war sich beim Beschluss, bis auf eine Gegenstimme des österreichischen Nationalbank-Gouverneurs Robert Holzmann, einig.
Am Donnerstag wird nun bei der Ratssitzung in Frankfurt die nächste Senkung in diesem Ausmaß folgen, darauf wurden die Finanzmärkte über den Sommer eingestimmt, Stichwort „offengehaltene Türen“. Die zähe Inflationsbekämpfung trägt Früchte, im August lag die Teuerungsrate in der Eurozone bei 2,2 Prozent und näherte sich damit weiter an die EZB-Zielmarke von zwei Prozent an. Konjunkturell hat die zinspolitische Extremkur ihre tiefen Spuren hinterlassen.
„Es ist an der Zeit, die Geldpolitik anzupassen“
Die EZB ist der US-Notenbank Federal Reserve damit zwei Zinsschritte voraus. Aber nicht lange. Denn am 18. September wird die Fed ihre Zinssitzung abhalten. Und jenseits des Atlantiks gilt eine erste Senkung als ausgemacht. Das Börsenbeben Anfang August, das maßgeblich auch von durchwachsenen US-Arbeitsmarktdaten ausgelöst war, hatte die Frage aufgeworfen, ob die Fed den richtigen Zeitpunkt für eine Zinssenkung verpasst hat. Beim Notenbanken-Treffen in Jackson Hole rückte Fed-Chef Jerome Powell am 23. August aus und betonte: „Es ist an der Zeit, die Geldpolitik anzupassen.“
Die US-Währungshüter halten den Leitzinssatz bereits seit Juli 2023 in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent – nach zuvor elf Erhöhungen binnen 16 Monaten. Auch in den USA wird damit gerechnet, dass es um einen Viertel-Prozentpunkt nach unten geht. Wobei erst am Freitag Fed-Direktor Christopher Waller, nach Veröffentlichung von abermals enttäuschenden US-Arbeitsmarktdaten und deutlichen Börsenverlusten, auch eine größere Senkung um 0,5 Prozentpunkte ins Spiel gebracht hatte.
Weitere Senkungen dürften demnach im November und Dezember folgen, so die gegenwärtige Erwartungshaltung. Diese Aussichten erhöhen wiederum auch in Europa signifikant die Chancen auf weitere Zinssenkung in diesem Jahr.