Das Ifo-Institut hat seine Konjunkturprognose für Deutschland wegen ausbleibender Investitionen und schlechter Auftragslage gesenkt. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr auf dem Niveau von 2023 verharren, wie die Münchner Forscher in ihrer am Donnerstag veröffentlichten Herbstprognose voraussagen. Im Juni waren sie noch von einem Wachstum von 0,4 Prozent ausgegangen. Für 2025 kappten sie die Prognose ebenfalls - und zwar von 1,5 auf 0,9 Prozent.
„Die deutsche Wirtschaft steckt fest, und sie dümpelt in einer Flaute, während andere Länder den Aufwind spüren“, lautet das Fazit von Ifo-Konjunkturchef Timo Wollmershäuser. Erst 2026 soll es dann zu einem kräftigeren Plus von 1,5 Prozent reichen.
Das Ifo-Institut sieht eine strukturelle Krise der deutschen Wirtschaft. „Es werden zu wenig Investitionen insbesondere in der Industrie getätigt und die Produktivität tritt seit Jahren auf der Stelle“, sagte Wollmershäuser. Außerdem gebe es eine konjunkturelle Krise. „Die Auftragslage ist schlecht und die Kaufkraftgewinne führen nicht zu steigendem Konsum, sondern zu höherer Ersparnis, weil die Leute verunsichert sind.“ Die Sparquote liege bei nunmehr 11,3 Prozent und damit deutlich über dem Zehnjahresschnitt von 10,1 Prozent vor der Coronapandemie.
Die gute Nachricht
Einen Lichtblick sehen die Forscherinnen und Forscher aber: Die Inflationsrate dürfte weiter zurückgehen. Lag sie 2023 noch bei durchschnittlich 5,9 Prozent, so dürfte sie im laufenden Jahr auf 2,2 Prozent fallen. In den beiden kommenden Jahren soll sie weiter sinken auf 2,0 und 1,9 Prozent. Dagegen dürfte die Arbeitslosenquote in diesem Jahr auf 6,0 Prozent zulegen, nachdem sie 2023 noch bei 5,7 Prozent lag. Danach soll sie wieder sinken. Das Defizit im Staatshaushalt dürfte in diesem Jahr 2,0 Prozent der Wirtschaftsleistung erreichen und in den kommenden beiden Jahren weiter fallen.
Sorgenkind Industrie
Die Leistung im kriselnden Baugewerbe wird der Ifo-Prognose zufolge in diesem Jahr um 3,1 Prozent schrumpfen, in der Industrie um 2,0 Prozent. „Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischer Wandel, Coronapandemie, Energiepreisschock und eine veränderte Rolle Chinas in der Weltwirtschaft setzen etablierte Geschäftsmodelle unter Druck und zwingen Unternehmen, ihre Produktionsstrukturen anzupassen“, sagte Wollmershäuser. Daher herrsche eine Investitionsflaute vor allem in der Industrie, die in Deutschland einen deutlich höheren Anteil an der Wirtschaftsleistung habe als anderswo. „Und die Bevölkerung wird schneller altern, immer weniger Menschen stehen in Arbeit“, ergänzte der Ifo-Konjunkturchef. „Verschiebungen vom Industrie- zum Dienstleistungssektor erklären größtenteils den Produktivitätsstillstand der vergangenen Jahre.“