Die Hinweise darauf, dass es bei der Kernmarke des Volkswagenkonzerns zu weiteren Einschnitten kommen würde, verdichteten sich bereits seit Monaten. Nachdem im Vorjahr ein milliardenschweres Sparprogramm geschnürt worden war, zeichnete sich zuletzt ab, dass die damit verbundenen Ziele trotzdem nicht erreicht werden. Seit Wochenbeginn, die Rede ist schon vom „schwarzen Montag“, wackelt nun offenbar die „heilige Kuh“ von VW: Wie berichtet, wird vom Management erwogen, die 1994 paktierte – und eigentlich bis 2029 gültige – Beschäftigungssicherung zurückzunehmen. Es könnten also betriebsbedingte Kündigungen in Deutschland drohen, wo derzeit rund 110.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig sind. Erstmals in der VW-Historie könnte in Deutschland sogar ein Werk geschlossen werden. Die mächtige Belegschaftsvertretung rüstet sich bereits für einen harten Kampf um Jobs und Standorte. Erste belastbare Informationen darüber, wie die Sparpläne nun im Detail aussehen könnten, soll es heute bei einer Betriebsversammlung geben.

Welche Standorte und wie viele Beschäftigte der, in deutschen Medien als „Sparhammer“ titulierte, nun ausgerufene Kurs treffen könnte, ist noch unklar. Klar ist aber, dass die gegenwärtige Marktschwäche mit sinkenden Absatzzahlen insbesondere bei der VW-Kernmarke noch auf strukturelle Probleme trifft, die Baustellen sind trotz zahlreicher Bekenntnisse nicht wirklich weniger geworden (Auswahl siehe unten).

„Ich glaube, es wird ungemütlich werden für die Vorstände“

Sollte das Management tatsächlich an der Beschäftigungssicherung rütteln, ist eine intensive Auseinandersetzung mit den Personalvertretern vorprogrammiert. Sie sind im Volkswagen-Konzern mit umfassender Macht ausgestattet. Zudem hält mit dem Land Niedersachsen auch die öffentliche Hand 20 Prozent am Konzern, das Sparpaket ist damit automatisch auch ein Politikum.

 Der Vorstand sieht jedenfalls die „Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit gefährdet“ und sieht akuten Handlungsbedarf. Die Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates, Daniela Cavallo, hat noch am Montagabend zum spontanen Medientermin direkt am Werkstor in Wolfsburg geladen. Man werde sich gegen den Angriff auf „unsere Beschäftigung, Standorte und Tarifverträge“ zur Wehr setzen, Standortschließungen kommen nicht in Frage. Und eine Prognose für den heutigen Tag hatte sie auch noch im Gepäck: „Ich glaube, dass es auf der Betriebsversammlung ungemütlich werden wird für die Vorstände.“

Das sind die großen Baustellen

China. Jahrelang war auch die Kernmarke VW in China auf der Überholspur. Der riesige Markt sorgte für Milliardengewinne. Da in China aber immer weniger Verbrenner verkauft werden und VW mit seinen E-Autos nicht mit chinesischen Herstellern mithalten kann, wird China zunehmend zur Großbaustelle – mit düsteren Aussichten. Mit einer eigens für China kreierten Submarke „ID.Unyx“ soll doch noch eine Trendwende gelingen.

Rendite. Die Kosten sollen bis 2026 um zehn Milliarden Euro sinken – dieses Sparziel hat VW im Vorjahr ausgegeben mit dem klaren Ziel, dass der Autobauer profitabler wird, die Rendite soll in zwei Jahren bei 6,5 Prozent liegen. Doch im ersten Halbjahr 2024 lag sie gerade einmal bei 2,3 Prozent, nach 3,8 Prozent im Jahr davor. Erschwerend kommt hinzu, dass die Margen bei E-Autos deutlich schwächer sind als bei Verbrennern.

Software. Mit der Elektro-Offensive sollte auch die Digitalisierung bei Volkswagen voranschreiten. Doch die Softwaretochter Cariad erweist sich als hartnäckiger Problemfall. Mehrfach mussten neue Modelle verschoben werden, weil Betriebssysteme nicht fertig werden. VW investiert nun fünf Milliarden Euro in eine Zusammenarbeit mit dem US-Elektroautobauer Rivian. Fokus: Software und Elektronikarchitektur. Doch das wird noch dauern.

Absatz. Auf den ersten Blick schauten die Absatzzahlen von VW im ersten Halbjahr nicht so schlecht aus. Das Minus zum Vorjahreszeitraum lag bei zarten 0,2 Prozent – 2,22 Millionen Autos wurden ausgeliefert. Blickt man jedoch nur auf das zweite Quartal zeigt sich ein Minus von 5,2 Prozent – mit verhaltenem Ausblick. Im Vorjahr legte der VW-Absatz noch um 6,7 Prozent auf rund 4,87 Millionen Autos zu, davon 394.000 Elektroautos.

Struktur. „Wir sind zu langsam, zu träge, zu kompliziert – das ist nicht überlebensfähig.“ Mit diesen Worten hat VW-Markenchef Thomas Schäfer bereits vor einem Jahr Alarm geschlagen. Der gesamte VW-Konzern gilt auch strukturell als sehr komplexes Gebilde, bei dem Veränderungen nicht leicht durchzusetzen sind. Größte Aktionäre sind die Familien Porsche und Piëch (53 Prozent der Anteile), dahinter folgt mit 20 Prozent das Land Niedersachsen.

Fertigung des VW ID3 im Werk Zwickau
Fertigung des VW ID3 im Werk Zwickau © IMAGO/Uwe Meinhold