Beginnen wir diese kurze Erzählung mit einem Missverständnis. Gerne wird Telegram, der von 950 Millionen Menschen verwendete und zurzeit besonders heiß diskutierte Nachrichtendienst, nämlich als besonders gut verschlüsselt benannt. Dabei gibt es den kryptografischen Goldstandard, die sogenannte Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, weder bei normalen Nachrichten, noch in Gruppen oder bei Kanälen. Telegram selbst weiß also – im Gegensatz zu WhatsApp oder Signal – sehr genau, was wer im Netzwerk schreibt. Zugleich zeigt man sich nach außen stolz, die Inhalte nie mit Behörden zu teilen.

1024 versus 200.000 Menschen

Was den Dienst in den letzten Jahren populär machte? „Es ist die Funktionalität“, erklärt Jana Lasser, Professorin für „Data Analysis“ an der Grazer Uni. Zwei Punkte führt die Forscherin explizit an. Einerseits sei es die Möglichkeit, besonders viele Menschen zugleich zu erreichen. Lasser: „Bei WhatsApp beträgt die maximale Gruppengröße 1024 Personen, bei Telegram sind es 200.000“. Sogar völlig ohne Begrenzung kommen die abonnierbaren Telegram-Kanäle aus. Dort versenden Parteien, Institutionen oder Promis ihre Botschaften ohne Rückkoppelung.

Andererseits finde bei Telegram „keinerlei Moderation von Inhalten statt“, sagt Jana Lasser. Auch das wirke anziehend und sorge darüber hinaus für ein beträchtliches Maß an Verschwörungserzählungen. Wenig bekannt ist über Telegrams Geschäftsmodell. Federführend dürften sich die Einkünfte aber aus privaten Geldern speisen. 2021 begann Telegram darüber hinaus, gesponserte Nachrichten zu erlauben. Außerdem gibt es die Möglichkeit, ein Premium-Abo zu kaufen, das mit ein paar Zusatzfunktionen lockt.

Die Forscherin Jana Lasser
Die Forscherin Jana Lasser © Timotheus Hell