Immer wieder sickern neue Details zu den geplanten Strafzöllen durch: Geplante Strafzölle der EU auf in China produzierte Elektroautos sollen jetzt doch nicht rückwirkend gelten und erst ab einer finalen Entscheidung im Herbst eingehoben werden. Das wurde nach einer rechtlichen Überprüfung bekannt. Dafür kommt neue Dynamik ins Thema: Europa könnte zu Chinas Werkbank für Elektroautos werden, zwei Produktionsorte für chinesische E-Autos sind bereits fix. Und Magna hofft.

Die Hintergründe und die Argumentation der EU für die Strafzölle sind bekannt: Peking zahle E-Autobauern unfaire Subventionen und verzerre damit den Wettbewerb. Mögliche Strafzölle würden zusätzlich zu den bestehenden Importzöllen in Höhe von 10 Prozent auf Elektroautos gelten. Der EU-Kommission zufolge sind chinesische Elektroautos normalerweise rund 20 Prozent günstiger als in der Union hergestellte Modelle.

Magnas Hoffnung auf die Werkbank für China

Der genaue Zeitplan, wann die EU-Strafzölle schlagend werden, steht noch nicht fest. Die Reaktionen zeichnen aber ein überraschendes Bild: Europa könnte zu Chinas Werkbank für Elektroautos werden

Neben BYD (baut bereits ein eigenes Werk in Ungarn) zeigen mehrere chinesische Hersteller Interesse in Europa zu produzieren. Auch Magna in Graz hofft auf diese Chance, Gespräche mit diversen chinesischen Herstellern hat es schon gegeben.

Ein Europäer hat bereits eine Werkbank für China

Auch der europäer Hersteller Stellantis (Peugeot, Citroen, Fiat, Jeep etc.) will in einem Werk in Italien chinesische Autos produzieren, in Polen fertigt man bereits ein chinesisches Kleinauto. Man ist auch an einem chinesischen Unternehmen beteiligt und könnte – wenn es keine Strafzölle gibt – in China produzieren. Serbien wird immer wieder als Fertigungsland genannt.

Brisante EU-Abstimmung um Strafzölle noch offen

Es ist außerdem noch eine Abstimmung der EU-Mitgliedsstaaten offen, dabei muss eine qualifizierte Mehrheit (mindestens 55 Prozent der Länder, die mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung darstellen) gegen oder für die Zölle stimmen. Das ist für spätestens Oktober geplant. Die Zölle wären dann zumindest für eine Dauer von fünf Jahren fixiert.

Kräftemessen um Strafzölle

In der Abstimmung kommt es zu einem Kräftemessen zwischen Frankreich/Spanien und Deutschland. Vor allem die deutschen Hersteller und auch die Politik kämpfen gegen die Strafzölle an, Frankreich und Spanien sind dafür. Stichtag wird die Abstimmung sein.

Denzel-Vorstand Hansjörg Mayr, der mehrere China-Marken im Portfolio führt, zeigt sich irritiert: „Der von der Politik vorgegebenen Dekarbonisierung wird ein Schlag versetzt. Damit werden E-Autos teurer. Die europäische Industrie wird das nicht von heute auf morgen auffangen können.“

Warnungen gegen Strafzölle aus Deutschland

BMW-Chef Oliver Zipse warnt davor, mögliche Strafzölle würden auch europäischen Herstellern schaden. Weit mehr als die Hälfte aller aus China eingeschifften E-Fahrzeuge stammte im vergangenen Jahr von westlichen Herstellern, wie Tesla, Dacia und eben BMW.

Mercedes-Chef Olla Källenius will überhaupt alle Zölle abschaffen. „Null in alle Richtungen!“, sagte er vor Kurzem zur Kleinen Zeitung. Denn: „Führt China nach Europa ein, sind zehn Prozent Zoll angesagt. Von Europa nach China sind es 15 Prozent. Von den USA nach Europa sind es zehn Prozent, von Europa nach USA 2,5 Prozent.“

Auch in Österreich gibt es eine Allianz von Denzel, BMW, und Porsche Holding gegen die Strafzölle. Im Volkswagenkonzern spricht man sich ja grundsätzlich gegen Strafzölle aus.

So hoch sind die Strafzölle

Die Strafzölle werden entsprechend der Höhe an Subventionen für verschiedene Autohersteller berechnet: Für BYD soll nun ein Importzoll von 17,0 Prozent gelten (im Juli hatte die Kommission noch 17,4 Prozent angekündigt), von Geely (Volvo-Pkw; Anm.) werden 19,3 Prozent (davor: 19,9 Prozent) eingefordert und von dem staatlichen chinesischen Volkswagen-Partnerkonzern SAIC (MG etc.) 36,3 Prozent (37,6 Prozent).

BYD will in Europa die Zölle dem Vernehmen nach zum Teil bei den Autopreisen schlucken, auch im Hinblick auf die eigene Produktion in Ungarn. BYD will außerdem heimische Zulieferer in Ungarn einbinden, von Magna bis Voest. Infineon ist schon relativ weit in den Verhandlungen, heißt es.

Andere Autohersteller, die bei der EU-Untersuchung kooperiert haben, sollen nun von einem durchschnittlich gewichteten Zollsatz von 21,3 Prozent (20,8 Prozent) betroffen sein. Auf E-Autos von Herstellern die nicht kooperiert haben, soll ein Zoll von 36,3 Prozent (37,6 Prozent) eingehoben werden.

Tesla wird verschont

Dass die EU Tesla verschont, überrascht. Der US-Autobauer Tesla, der sein Model 3 in China produziert, erhält einen gesonderten Zollsatz von 9 Prozent. Tesla hatte zuvor bei der EU-Kommission eine gesonderte Berechnung angefragt, die spezifisch auf die Subventionen eingeht, die der US-Autobauer in China erhält.

Chinas Gegenschlag

Die Gegenmaßnahmen Chinas sind in Arbeit, auch wenn im Hintergrund noch zwischen China und EU verhandelt wird. China kritisiert die Zusatzzölle weiter scharf.

Die Antisubventionsuntersuchung der EU stehe im Widerspruch zu den Regeln der Welthandelsorganisation und sei ein Akt des unlauteren Wettbewerbs unter dem Deckmantel des fairen Wettbewerbs, teilte das Handelsministerium in Peking mit.

Die „falsche Vorgehensweise“ der EU-Kommission werde die Stabilität der globalen Lieferkette in der Branche stören und die Interessen europäischer Verbraucher schädigen, warnte die chinesische Behörde. Die EU sollte konkrete Maßnahmen ergreifen, um einer Eskalation in dem Handelsstreit vorzubeugen.

Danach schaut es derzeit nicht aus. China hat eine Anti-Subventionsuntersuchung gegen importierte Milchprodukte aus der Europäischen Union angekündigt. Betroffen seien bestimmte Waren wie etwa frischer oder weiterverarbeiteter Käse, teilte das Handelsministerium in Peking mit.

Exporte nach China schwinden

Nach offiziellen Daten Brüssels exportierte die EU im vergangenen Jahr Milchprodukte im Wert von 1,7 Mrd. Euro nach China. 2022 erreichten die Ausfuhren in dieser Kategorie noch einen Wert von etwas weniger als 2,1 Mrd. Euro. In Chinas Supermärkten ist zum Beispiel importierte Milch aus Deutschland oft zu finden, die in Fernost auch einen guten Ruf genießt.

Es ist nicht die erste Untersuchung Chinas gegen europäische Produkte. Im Jänner hatte das Handelsministerium eine Ermittlung gegen Branntwein (Brandy) aus der EU angekündigt. Betroffen davon waren hauptsächlich Hersteller aus Frankreich. Im Juli machte die Behörde bekannt, gegen aus der EU importiertes Schweinefleisch und Nebenprodukte davon zu ermitteln.

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