Die US-Notenbank Fed steht kurz vor der ersten Zinssenkung seit Beginn des Jahrzehnts. Fed-Chef Jerome Powell gab den Finanzmärkten am Freitag in einer Rede auf dem Notenbankforum in Jackson Hole das erhoffte Signal für einen Lockerungsschritt im September: „Es ist an der Zeit, die Geldpolitik anzupassen.“ Die Richtung sei klar, fügte er mit Blick auf Zinssenkungen hinzu. Timing und Tempo würden von den einlaufenden Daten, dem Ausblick und der Risikoabwägung abhängen.
Seine Zuversicht hinsichtlich einer nachhaltigen Annäherung der Inflation an das Preisstabilitätsziel der Notenbank von zwei Prozent sei gewachsen. Die US-Währungshüter hatten bereits im Juli über eine Senkung des Leitzinses beraten, den sie seit über einem Jahr in der Spanne von 5,25 bis 5,50 Prozent halten. Sie scheuten zwar noch vor dem Schritt nach unten zurück, doch fassten sie eine Senkung für September konkret ins Auge. Eine Mehrheit der jüngst von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Ökonomen geht davon aus, dass der Leitzins am 18. September um einen Viertel-Prozentpunkt gesenkt wird: Weitere Schritte nach unten im selben Umfang dürften demnach im November und Dezember folgen.
Die Signale Powells kamen bei den Investoren sehr gut an. Der Dax, der EuroStoxx50 und die wichtigsten Indizes an der Wall Street weiteten ihre Gewinne aus und lagen zwischen gut einem halben und knapp anderthalb Prozent im Plus. Powells Rede beflügelte auch den Goldpreis, der ein frisches Allzeithoch von 2517,69 Dollar je Feinunze erreichte. Die Investoren griffen auch bei den US-Staatsanleihen zu. Der Dollar-Index rutschte dagegen um knapp ein halbes Prozent auf 101,11 Punkte ab. Zuvor lag er nahe der Null-Marke.
„Starken Arbeitsmarkt unterstützen“
Die Notenbank will mit ihrer straffen Linie die Inflation eindämmen, ohne allerdings die Konjunktur abzuwürgen. Anfang des Monats war an den Finanzplätzen Panik ausgebrochen, als schwache Zahlen vom Jobmarkt die Angst vor einer Rezession in den USA schürten. Die Furcht hat sich angesichts einer Reihe positiver Daten mittlerweile gelegt. „Wir werden alles tun, was wir können, um einen starken Arbeitsmarkt zu unterstützen, während wir weitere Fortschritte in Richtung Preisstabilität machen“, betonte Powell. Das jetzige Zinsniveau biete der Notenbank reichlich Spielraum, um auf etwaige Risiken zu reagieren - etwa eine weitere unerwünschte Eintrübung der Lage am Arbeitsmarkt.
Die letzte Zinssenkung der Fed datiert vom März 2020, als die Notenbank auf den Konjunktur-Einbruch in der Corona-Krise reagierte. Danach hielt sie den Leitzins lange nahe der Null-Linie, bevor sie ein Inflationsschub 2022 zu teilweise massiven Zinserhöhungsschritten zwang.
Auch EZB-Zinssenkung im September erwartet
Auch bei der Europäischen Zentralbank befürworte eine wachsende Zahl von Währungshütern eine zweite Zinssenkung im September, wie Insider berichten. Nur große Überraschungen bei den anstehenden Wirtschaftsdaten in den kommenden Wochen können diesen Schritt noch hinauszögern, wie aus Gesprächen der Nachrichtenagentur Reuters mit mehreren Währungshütern hervorging, die anonym bleiben wollten.
Finnlands Notenbankchef Olli Rehn hatte vor einigen Tagen bereits offen für eine Zinssenkung im September plädiert. Die EZB hatte Anfang Juni erstmals seit 2019 wieder die Zinsen gesenkt. Auf ihrer Sitzung im Juli hielten die Währungshüter aber die Füße still. Am Geldmarkt wird die Wahrscheinlichkeit für eine Zinssenkung auf der EZB-Sitzung am 12. September mittlerweile auf mehr als 98 Prozent taxiert. Nach dem Juni-Schritt, die von einigen Währungshütern als verfrüht angesehen wurde, verhielten sich die Hüter des Euro zuletzt vorsichtiger und gaben zur September-Sitzung nur wenige Hinweise. Angesichts der jüngsten Zahlen zu Wachstum, Löhnen und Preisentwicklung im Euroraum beginnen Währungshüter jedoch, eine klarere Haltung einzunehmen und ihre Positionen darzulegen, wie aus den Gesprächen hervorging. Die EZB lehnte eine Stellungnahme zu den Informationen ab.