Sonntagsöffnung sei „ein Reizwort schlechthin“, das alles überlagere, sagt Rainer Trefelik, der Obmann der Sparte Handel der Wirtschaftskammer Österreich. Dennoch müsse über eine „Weiterentwicklung“ der Öffnungszeiten gesprochen werden, meint er im Gespräch mit der Kleinen Zeitung.
„Wie Schweizer Käse zum Quadrat“
Der Sonntag sei der stärkste Online-Shoppingtag, die Logistik des Onlinehandels werde immer besser. Das Regelwerk für den stationären Handel sei hingegen „anachronistisch, überholt, nicht mehr praxistauglich und vor den technologischen Entwicklungen auch nicht mehr stimmig“, so Trefelik. Immer mehr Betriebe suchten daher Wege, „außerhalb des Systems“ Kunden zu bedienen, etwa mit Ackerboxen und Selbstbedienungsmärkten. Dazu kämen eine Vielzahl von Ausnahmeregelungen – darunter 600 Tourismuszonen in Österreich –, von denen viele nicht immer nachvollziehbar seien. „Wir treten für Entbürokratisierung ein und müssen uns in diesem Sinne auch die Regulierungsflut anschauen“, sagt Trefelik. Weitere Ausnahmen wären „wie Schweizer Käse zum Quadrat“, die Debatte zu liberalisierten Öffnungszeiten müsse jetzt geführt werden.
Nicht mehr Stunden, aber flexibler
Dabei gehe es ihm, so viel lässt Trefelik entlocken, weniger um eine Erhöhung des Kontingentes von 72 Wochenstunden („für die allermeisten überhaupt kein Problem“), sondern um mehr Flexibilität. So könnten die Geschäfte in Berlin an Samstagabenden bis 21 Uhr offenhalten. Auch in der Verschränkung mit Gastronomie und Events brauche es flexiblere Öffnungszeiten. „Es wird keine Zwangsöffnung geben. Aber den Luxus, uns nicht weiterzuentwickeln, wird sich der stationäre Handel angesichts der Konkurrenz rundum wie Shein, Temu und TikTok nicht leisten können.“
„Breit getragene Debatte“
Es brauche eine breit getragene Debatte, eine Einigung auf sozialpartnerschaftlicher Ebene und einen Dialog mit der nächsten Bundesregierung. Eine Fortschreibung von Ausnahmen und Nicht-Kontrollen sei jedenfalls der falsche Weg: „Es darf nicht der, der sich rechtskonform hält, der Depperte sein.“
Haberl sieht keinen Bedarf für Änderungen
Kärntens Handelsobmann Raimund Haberl sieht keinen Anpassungsbedarf. Durch die Tourismuszonen mit Sonn- und Feiertagsöffnung sei die Flexibilität gegeben, anders als in Wien. Ausgedehnte Öffnungszeiten würden größtenteils nicht genutzt, meint Haberl, und wenn, käme es lediglich zu Verschiebungen.
„Mehr Flexibilität wünschenswert“
Franz Rattenegger, Gremialobmann des steirischen Mode-, Schuh- und Freizeithandels in der steirischen Wirtschaftskammer und Murtaler Schuhhändler betont ebenfalls: „Was wir als klein strukturierter, beratungsintensiver Handel sicher nicht brauchen, ist eine Ausweitung der Öffnungszeiten.“ Derzeit habe man ohnedies mit der schwachen Konjunktur und den stark gestiegenen Personalkosten zu kämpfen – und mit schwachen Frequenzen in vielen Bezirksstätten.
Rattenegger, der „schweren Herzens“ nach 40 Jahren seinen Standort in Judenburg aufgibt, sieht hier keinen Bedarf, schon jetzt seien in vielen Regionen über Mittag oder am Samstagnachmittag einige Geschäfte geschlossen, insgesamt seien im Schuhhandel binnen zehn Jahren 30 Prozent der stationären Verkaufsflächen verloren gegangen. Ein Mehr an Flexibilität sei aber durchaus wünschenswert, „beispielsweise für spezielle Einkaufstage am Samstagabend, wenn etwa aufgrund einer Wochenendveranstaltung viele Menschen im Ort sind“.