Der Schein auf der belebten Wiener Kärntnerstraße trügt. Obwohl sich derzeit Massen durch die bekannte Einkaufsstraße schieben, wird weniger eingekauft. „Schauen Sie, wie viele davon ein Sackerl tragen, die Sackerldichte ist nicht hoch. In den Geschäften selbst ist deutlich weniger los als auf der Straße“, sagte Handelsobmann Rainer Trefelik Dienstagabend vor Journalisten. Die Bilanz nach dem ersten Halbjahr sehe nicht gut aus, die erhoffte Erholung sei nicht eingetreten.
Reales Umsatzminus im Handel
Der Einzelhandel verzeichnete im ersten Halbjahr 2024 ein reales Umsatzminus von durchschnittlich 0,8 Prozent. Im Großhandel betrug der Rückgang sogar 3,8 Prozent, wohingegen der Kfz-Handel reale Zuwächse von 3,1 Prozent erzielte. Hohe reale Umsatzeinbußen erlitten neben dem Möbelhandel (-12,7 Prozent) auch der Buchhandel (-9,5 Prozent) und der Schuhhandel (-9,2 Prozent). Leicht positiv lief es im Lebensmittelhandel (+0,9 Prozent) und im Bekleidungshandel (+1,7 Prozent). Eine Trendumkehr im zweiten Halbjahr zeichne sich nicht ab. „Mitte August muss man sagen: das wird sich heuer nicht mehr ganz ausgehen“, so Trefelik.
„Betriebswirtschaftlich eng“
„Die abgesetzte Menge wird weniger, bei einem Auftrieb der Kosten. Da wird es betriebswirtschaftlich eng“, sagte Handelsforscher Peter Voithofer auch mit Blick auf die sich häufenden Pleiten in der Branche. Die schwache Wirtschaftslage schlägt sich auch am Arbeitsmarkt nieder. Im Handel ist die Zahl der Beschäftigten rückläufig. Von allen Handelsbranchen gab es heuer im ersten Halbjahr nur im Drogeriehandel einen leichten Zuwachs der Beschäftigten. Allein der Möbelhandel hat im ersten Halbjahr rund zehn Prozent seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingebüßt. „Wenn es keine Baukonjunktur gibt, wird nicht eingerichtet, es wird nicht renoviert“, so Trefelik.
Auch Onlinehandel betroffen
Die gebremste Konsumstimmung bekommen nicht nur die stationäre Geschäfte zu spüren, sondern auch der Onlinehandel. Auch dort gehen Umsätze (-0,9 Prozent) und Beschäftigtenzahl (-6,7 Prozent) zurück. Die Inflation sei in Österreich noch immer vergleichsweise hoch, zudem sei die Sparquote gestiegen, räumte Trefelik ein. Die hohen Gehaltsabschlüsse der letzten Jahre seien nur zu einem Drittel in den Handel geflossen, der Rest werde gespart oder anderwärtig ausgegeben.
Einfacher wird es nicht
Im Hinblick auf die Herbstlohnrunde sieht der Handelsvertreter, der auch Chefverhandler der Arbeitgeber ist, eine „große Herausforderung“ auf die Betriebe zukommen. In den vergangenen drei Jahren hätten sie KV-Erhöhungen von über 20 Prozent stemmen müssen. „Uns rennen die Kosten auf allen Ebenen davon“, sagte Trefelik. Einfacher als vergangenes Jahr werde es trotz sinkender Inflation nicht.
Diskussion über Öffnungszeiten
Trefelik hofft auf eine Senkung der Lohnnebenkosten. Und man werde über das Thema Öffnungszeiten diskutieren müssen. „Über nichts wird so ideologisch, unehrlich und verlogen diskutiert wie über das. Wenn wir langfristig nach vorne schauen wollen, werden wir Veränderung ermöglichen müssen. Die Debatte wird unglaublich mühsam werden und unglaublich viele Watschen bringen, aber wir werden sie führen müssen“, sagte der Handelsobmann. Längere Öffnungszeiten am Abend und an Samstagen sowie das Offenhalten an Sonntagen oder zumindest einigen Sonntagen im Jahr werden seit Jahren immer wieder gefordert. Derzeit dürfen Geschäfte maximal 72 Stunden in der Woche offen haben, samstags höchstens bis 18 Uhr, an Sonntagen bis auf Ausnahmen in Tourismusregionen gar nicht.