Angesichts der an den Finanzmärkten herbeigesehnten Zinswende in den USA richten sich nächste Woche alle Augen auf Jackson Hole. Das am Donnerstag beginnende dreitägige Notenbank-Symposium in Wyoming dürfte Fed-Chef Jerome Powell als Forum dienen, Signale für eine geldpolitische Lockerung mit Blick auf den Tag X zu geben: den Zinsentscheid am 18. September.
Noch Anfang des Monats war an den Finanzplätzen helle Panik ausgebrochen, als schwache Arbeitsmarktzahlen Angst vor einer Rezession in den USA auslösten. Zwar hat sich die Furcht mittlerweile gelegt. Doch gieren die Investoren nach Orientierung, wohin die Fed steuert, zumal die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of England (BoE) die Zinswende längst vollzogen haben.
Signale für Zinssenkung erwartet
„Jackson Hole wird für die Börsen nächste Woche ein Schlüsselereignis ein“, sagt Zinsexperte Mark Cabana von der Bank of America. Es sei damit zu rechnen, dass Powell Hinweise zu den geldpolitischen Aussichten geben werde. Die Erwartung sei, dass er eine bevorstehende Zinssenkung signalisieren werde, Größe und Tempo stünden aber noch nicht fest. Vorigen Monat sagte Powell, unter Umständen könne bei der nächsten Sitzung der Fed eine Zinslockerung zur Debatte stehen.
Um das Wirtschaftswachstum zu bremsen und den Abwärtsdruck auf die Inflation aufrechtzuerhalten, hält die Fed ihren Leitzins nun schon seit über einem Jahr im Bereich von 5,25 bis 5,50 Prozent. DWS-Volkswirt Christian Scherrmann rechnet für Jackson Hole mit „klareren Signalen“, nachdem die Tür für eine Senkung schon ein wenig geöffnet sei. Gelegenheit dafür hat Powell am kommenden Freitag, dem ersten vollen Tag des jährlichen Wirtschaftssymposiums der Kansas City Fed in Jackson Hole. Dann wird er zum Konjunkturausblick sprechen.
Die schwachen Arbeitsmarktdaten zu Beginn dieses Monats nährten bei Anlegern die Sorge, die Fed habe ihre straffe Linie zu lange beibehalten. Dabei kamen Spekulationen auf, sie müsse den Leitzins (im Fachjargon: Federal Funds Target Rate) im September oder sogar schon früher in einer außerplanmäßigen Sitzung um einen halben Prozentpunkt senken, um einer drohenden Rezession entgegenzuwirken.
Hoffnung auf sanfte Landung ist zurück
Jüngste Konjunkturdaten, darunter positive Nachrichten vom Einzelhandel und rückläufige Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung, drängten diese Spekulationen jedoch zurück. Die Anleger erwarten nun, dass die Fed im nächsten Monat damit beginnt, den Leitzins um einen eher üblichen Viertelprozentpunkt zu senken.
Rezessionssorgen werden an den Finanzplätzen mittlerweile von der Hoffnung auf eine sanfte Landung abgelöst: Damit ist gemeint, dass die Wirtschaft trotz der langen Hochzinsphase nicht abschmiert, sondern nur sanft abgebremst wird: „Jeder hat inzwischen verstanden, dass die weltgrößte Volkswirtschaft auf eine sanfte Landung‘ hinsteuert“, meint Naeem Aslam, Chef-Anleger des Vermögensverwalters Zaye. Die Rezessionsängste, die noch vor kurzem Kursturbulenzen ausgelöst hatten, seien überwunden.
Inflationsziel allmählich in Sichtweite
Dazu passt, dass US-Währungshüter Alberto Musalem jüngst signalisierte, der Zeitpunkt für eine geldpolitische Lockerung rücke „möglicherweise näher“. Denn auch von der Preisfront kamen zuletzt positive Nachrichten: Die Teuerungsrate sank im Juli auf 2,9 Prozent, nach 3,0 Prozent im Juni. Das Inflationsziel der Notenbank von zwei Prozent kommt damit allmählich in Sichtweite. „Was die Inflation anbelangt, so sind die Risiken in den USA zuletzt etwas gesunken – vor allem wegen des nachlassenden Lohndrucks und langsamer steigenden Mieten“, erläutert Commerzbank-Chefökonom Jörg Krämer und prognostiziert einen Zinssenkungszyklus: „Nach dem erwarteten ersten Zinsschritt im September dürfte die Fed ihre Zinsen auf jeder Sitzung senken, bis die Obergrenze der Federal Funds Target Rate Mitte des nächsten Jahres bei 4,0 Prozent liegt.“
Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte einen ersten Lockerungsschritt bereits im Juni gewagt und die Zinsen um einen Viertelprozentpunkt gesenkt. Seither liegt der Einlagensatz, den Geldhäuser erhalten, wenn sie bei der Notenbank überschüssige Gelder parken, bei 3,75 Prozent. Der Leitzins, zu dem sich Banken im Euroraum frisches Geld bei der EZB besorgen können, wurde von 4,5 auf 4,25 Prozent zurückgenommen. Am 12. September und damit nur wenige Tage vor der Fed-Sitzung könnte sie einen zweiten Senkungsschritt folgen lassen. Jackson Hole bietet den Teilnehmern des Forums auch Gelegenheit, die geldpolitischen Linien auf beiden Seiten des Atlantiks zu erörtern: Beim Treffen in den Rocky Mountains ist auch EZB-Chefvolkswirt Philip Lane mit von der Partie.