Als US-Showman Noah Lyles am 4. August in Paris zu Olympia-Gold rannte und sich damit zum schnellsten Mann der Welt kürte, wurde auch in einer kleinen Stadt bei Nürnberg gejubelt. Erstmals seit 1996 hatte wieder ein Athlet mit Schuhen, die drei Streifen trugen, das olympische 100-Meter-Finale gewonnen. Und das ausgerechnet in dem Jahr, in dem der deutsche Sportartikel-Riese sein 75-jähriges Bestehen feiert.
Adidas rüstete bei den zurückliegenden Spielen von Paris zehn Olympia-Teams aus - es könnten und sollen künftig mehr werden. Mit dem Deutschen Olympischen Sportbund wurde ein Kontrakt bis 2032 unterschrieben. An den Deutschen Hockey-Bund hat sich der Ausrüster ebenfalls längerfristig gebunden.
Brüder im Wettkampf
Am 18. August 1949 ließ der legendäre Firmengründer Adolf „Adi“ Dassler seine „Adolf Dassler Sportschuhfabrik“ ins Handelsregister eintragen - wenige Monate nach seinem Bruder Rudolf (“Puma“), von dem er sich im erbitterten Streit getrennt hatte. Beide zusammen hatten bereits 1924 ihre gemeinsame Schuhmanufaktur ins Leben gerufen - hätte sie Bestand gehabt, wäre sie heuer 100 Jahre alt geworden.
Schon 1928 gewann Lina Radke in Dassler-Schuhen in Amsterdam Olympia-Gold über 800 Meter. Es sollten unzählige weitere folgen. In Herzogenaurach ist man überzeugt, dass erst die Konkurrenz am selben Ort den Erfolg der beiden Global Player möglich gemacht hat.
Adidas nahm einen kometenhaften Aufstieg. Heute beschäftigt das Unternehmen 59.000 Menschen auf allen fünf Kontinenten und setzte im vergangenen Jahr weit über 21 Milliarden Euro um. Viele Zufälle halfen. Dass die drei Riemen an der Seite, die der gelernte Bäcker und spätere Schuster Dassler seinen Schuhen zur seitlichen Stabilisierung des Fußes verpasste, später zu einem ikonischen Markensymbol reifen würden, hatte er wohl nicht ahnen können.
Parade-Unternehmer Dassler
Es waren aber auch die Hartnäckigkeit und der Fleiß des Nachkriegsunternehmers Dassler, die Adidas groß machten. Als die deutsche Fußball-Nationalmannschaft 1954 das legendäre „Wunder von Bern“ vollbrachte, saß Dassler selbst mit in der Kabine und kontrollierte den Sitz der neuartigen Schraubstollen, die Helmut Rahn und Co bei „Fritz-Walter-Wetter“ zum Endspielsieg über den Favoriten Ungarn verhalfen.
Wie kaum ein anderer Hersteller hat es Adidas geschafft, Produkte hervorzubringen, die den Zeitgeist ganzer Generationen mitprägten. Freddie Mercury trug beim legendären Band-Aid-Konzert in London Wrestling-Schuhe mit den drei Streifen. Madonna trat in Adidas-Stiefeln auf. Schuhe wie der „Handball Spezial“ oder der auf der Retro-Welle wiedergeborene „Stan Smith“ sprengten die Grenzen der ihnen eigentlich zugedachten Sportarten.
Smith, in den 70-er Jahren einst Nummer eins der Tennis-Welt und mit Firmengründer Adi Dassler noch persönlich bekannt, ist aktuellen Generationen nur mehr über den gleichnamigen Sportschuh ein Begriff. Sein Buch trägt den Titel „Some People Think I am a Shoe“ (“Manche Leute glauben, ich bin ein Schuh“). Heute sind es Schuhmodelle wie „Samba“ oder „Gazelle“, die die Mode weit über den Sport hinaus mitprägen.
Schwierige Zeiten
Das aktuelle Management um den vom Konkurrenten Puma geholten Vorstandschef Bjørn Gulden profitiert vom schier unerschöpflichen Adidas-Archiv. Dafür sind auch die Probleme des Tagesgeschäftes im Zuge der Globalisierung und des weltweiten Wachstums viel komplexer geworden, als noch bei Firmengründer Dassler. Falsche Entscheidungen während der Coronapandemie, schwankende Märkte etwa in China oder Probleme mit fragwürdigen Markenbotschaftern wie dem Rapper Kanye West bescherten Adidas zuletzt Schwierigkeiten.
2023 stand erstmals seit 1992 unter dem Strich wieder ein Verlust zu Buche. In der damaligen Phase, in den 1980-er Jahren, stand der Konzern sogar einmal kurz vor dem Ruin. Die Gründer-Witwe Käthe Dassler und ihr Sohn Horst waren kurz hintereinander gestorben, das Unternehmen war in fremden, aber nicht immer guten Händen. Erst als der Franzose Robert Louis-Dreyfus das Unternehmen 1995 an die Börse brachte, ging es wieder stetig bergauf.
Neue Wege
Zuletzt erwies sich auch der Deutsche Fußball-Bund als Enttäuschung. Obwohl die Nationalmannschaft auf dem „Home Ground“ in Herzogenaurach noch ihr EM-Quartier bezog und Spieler wie Manuel Neuer mit tausenden Adidas-Mitarbeitern noch im Juni das Jubiläum vorfeierten, folgte der DFB dem Lockruf der US-Dollar und heuerte beim Branchenprimus Nike als Ausrüster an - eine jahrzehntelange Verbindung wird damit zu Ende gehen.
Konzernchef Gulden - vom „Manager Magazin“ wegen seiner oft hemdsärmeligen, in der Sportwelt aber geschätzten Art als „Bolzplatz-CEO“ bezeichnet - will auch aufgrund solcher Erfahrungen künftig die Strategie seines Vorgängers Kasper Rorsted über den Haufen werfen. Statt vermehrt auf populäre Sportarten wie Fußball, Laufen oder Basketball zu setzen, will der frühere Fußball-Profi wieder mehr den vermeintlich kleineren Sportarten Raum geben, darunter neue olympische Trendsportarten wie Breaking oder BMX.