Die Idee der Agri-Photovoltaik, auch Solar-Sharing genannt, sieht vor, landwirtschaftliche Flächen nicht nur für die Nahrungsmittelproduktion zu nutzen, sondern auch für die Energieerzeugung durch die Installation von PV-Modulen. Die Dualnutzung bietet Vorteile: die Produktion erneuerbarer Energie, die Schaffung neuer Einnahmequellen für Landwirte, womöglich sogar die Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität. Schon in den 1980er Jahren wurde das Konzept diskutiert. In den letzten zehn Jahren sind Technologie und politischer Wille dazu weltweit gereift.

Auch die ÖBB ist auf den Agri-PV-Zug aufgesprungen und bemüht sich entlang ihrer Trassen um freie Flächen. Die österreichweit erste hat ÖBB-Infrastruktur-Vorstand Johann Pluy am Montag eröffnet: In Thalsdorf unweit der Burg Hochosterwitz wurden 19.000 Photovoltaikmodule auf einer Wiese aufgestellt, die gleichzeitig Weide- bzw. Futterfläche für 6000 Hühner und 60 Schafe ist. „Wir haben 15 Millionen Euro investiert. Die Anlage bringt uns 16 Gigawattstunden Energieertrag pro Jahr. Und wegen der Nähe zur Bahn können wir den Strom direkt da hinten verbrauchsnahe und ohne Leitungsverlust in die Oberleitung einspeisen“, sagt Pluy. Thalsdorf liegt zwischen den Stationen Reipersdorf und Launsdorf in der Gemeinde St. Georgen am Längsee.

Dass die Investition politisches Gewicht hat, zeigt nicht nur die Anwesenheit von Landehauptmann-Stellvertreterin Gaby Schaunig (SP), sondern auch die von Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne). „Mit der Produktion von Grünstrom wird gleichzeitig ein Beitrag für Landwirtschaft und Biodiversität geleistet“, so Gewessler, die betont, dass „hier kein Boden versiegelt wurde und alles rückstandsfrei abbaubar ist“. Schaunig ergänzt: „Die PV-Anlage liefert Strom für 4000 Railjet-Fahrten von Villach nach Wien. Ein Pionierprojekt ganz in unserem Sinne.“

Insgesamt geht es um eine Fläche von 14 Hektar, die Landwirt Adrian Reichhold vom Geflügelhof Thalhof an die ÖBB verpachtet. Der Pachtvertrag läuft auf 25 Jahre - es ist die technische Lebensdauer der PV-Module. Hühner und Schafe hatten hier schon bisher ihren Auslauf. „Jetzt haben sie Schatten - und das mögen sie sehr. Außerdem verstecken sich die Hühner unter den Modulen vor dem Habicht.“ In einem Jahr werden die Hühner 1,6 Millionen Eier gelegt haben, die Reichhold zum Großteil selbst ab Hof verkauft. Die Schafe „mähen“ den Rasen.

PV-Anlagen ohne Agri betreiben die ÖBB bereits an die hundert - auf eigenen Gebäue- oder Bahnhofsdächern oder als Überdachung von Fahrrad-Parkplätzen. Die nächste ÖBB-Agri-PV-Fläche wird in Oberösterreich eröffnet. Auch in Weissenstein bei Villach ist eine in Bau. Pluy: „Bis 2030 wollen wir unseren Eigenversorgungsgrad mit grünem Bahnstrom durch Wasser-, Solar- und Windkraftanlagen auf 80 Prozent steigern. Insgesamt werden dafür 1,6 Milliarden Euro investiert.“